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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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Koffer. Aber ohnehin schienen ihm seine Arme beinahe zu brechen. »Schau! Wir sind schon dran vorbei!«
    Sie hielten an und blickten zurück. »Wie konnte das passieren?«
    »Nun, es ist passiert.«
    Sie hatte recht. Eine große, dekorative Glocke baumelte von einem Eisenhaken herunter, der in der Wand eines Hauses etwa dreißig Meter hinter ihnen befestigt war.
    Sie kehrten um und betraten das Hotel. Eine Frau in marineblauem Kostüm, mit einer guten Figur, aber rot gefärbtem Haar und einem Gesicht, das förmlich unter Make-up verschwand, kam auf sie zu.
    »Mr. und Mrs. Banstead? Ich bin Hilda Pascoe. Don, mein Mann, fühlt sich im Moment nicht ganz wohl.«
    Gerald befielen heftige Zweifel. Er hatte blind gebucht, und nun entwickelte sich nichts nach seinen Plänen. Man sollte sich eben nie auf die Empfehlungen eines Reiseführers verlassen. Natürlich wurzelten die Schwierigkeiten in Phrynnes hartnäckigem Drängen, nicht an einen Ort zu fahren, den er bereits kannte. »Das tut mir leid«, erklärte Gerald höflich.
    »Sie wissen, wie Männer sich aufführen, wenn sie krank sind!« wandte sich Mrs. Pascoe an Phrynne, sozusagen von Frau zu Frau.
    »Unmöglich«, tat Phrynne ihr den Gefallen. »Leicht machen sie es einem nicht.«
    »Und ich bekomme immer zu hören, wir Frauen hätten es viel zu einfach.«
    »Genau«, stimmte Phrynne ihr zu. »Was fehlt ihm denn?«
    »Es ist immer dasselbe mit Don«, sagte Mrs. Pascoe, riß sich dann aber zusammen. »Sein Magen«, fuhr sie fort. »Schon als Kind hatte Don Probleme mit seiner Magenschleimhaut.«
    Jetzt mischte Gerald sich ein. »Könnten wir wohl netterweise unsere Zimmer sehen?«
    »Entschuldigung«, sagte Mrs. Pascoe. »Würden Sie sich wohl bitte zuerst hier eintragen?« Sie holte ein zerschlissenes Buch mit bröckelndem Lederimitateinband unter der Empfangstheke hervor. »Nur Name und Adresse.« So als wollte sie verhindern, daß Gerald seine ganze Lebensgeschichte in dem Band verewigte.
    Es war das erste Mal, daß er sich mit Phrynne in das Gästebuch eines Hotels eintrug, aber sein Vertrauen in den Ort wuchs nicht gerade, als er sah, wie lange die letzte Eintragung zurücklag.
    »Im Oktober wird es hier immer recht ruhig«, erklärte Mrs. Pascoe, die ihn beobachtet hatte. Gerald fiel auf, daß ihre Augen leicht blutunterlaufen waren. »In den Pubs ist natürlich schon mal was los.«
    »Wir wollten ja gerade nicht in der Saison kommen«, beschwichtigte Phrynne.
    »Eben«, sagte Mrs. Pascoe.
    »Sind wir die einzigen Gäste?« fragte Gerald. Schließlich versuchte die Frau ihr Bestes.
    »Außer Kommandant Shotcroft. Er wird Sie doch nicht stören, oder? Er ist Dauergast bei uns.«
    »Aber natürlich nicht«, erklärte Phrynne.
    »Die Leute meinen, daß das Haus ohne Kommandant Shotcroft nicht mehr dasselbe wäre.«
    »Ich verstehe.«
    »Was ist mit dieser Glocke?« fragte Gerald. Ob man ihren Klang mochte oder nicht, sie war zu nah, viel zu nah.
    Mrs. Pascoe sah weg. Ein verschlagener Ausdruck huschte über das Gesicht unter ihrer Make-up-Landschaft. Doch sie sagte nur: »Sie üben.«
    »Meinen Sie damit, daß es später noch lauter wird?«
    Sie nickte. »Aber machen Sie sich nichts draus«, sagte sie aufmunternd. »Ich zeige Ihnen jetzt Ihr Zimmer. Tut mir leid, aber einen Gepäckträger haben wir nicht.«
    Bevor sie noch im Zimmer angelangt waren, hatte das Glockengeläut in voller Stärke eingesetzt.
    »Ist das der ruhigste Raum, den Sie haben?« erkundigte sich Gerald. »Gibt es keine Räume nach hinten?«
    »Das hier sind die Räume nach hinten. Sankt Guthlac liegt dort drüben.« Sie wies in Richtung der Zimmertür.
    »Liebling«, sagte Phrynne, und ihre Hand ruhte auf Geralds Arm, »sie hören ja bald auf. Sie üben doch nur.«
    Mrs. Pascoe schwieg. Ihre Miene besagte, daß sie zu den Menschen gehörte, deren Freundlichkeit eine gewisse Grenze nie überschreitet.
    »Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte Gerald zögernd zu Phrynne.
    »Holihaven hat so seine eigene Gangart«, sagte Mrs. Pascoe. Der unüberhörbar kämpferische Unterton in ihren Worten schien es ihnen freizustellen, das Hotel zu verlassen, wenn sie dies denn wollten. Gerald ging nicht darauf ein: Er war sicher, die Wirtin hätte sich anders verhalten, wenn es für ihn und Phrynne noch eine weitere Unterkunftsmöglichkeit gegeben hätte. Das Glockengeläut machte ihn reizbar, zerrte an seinen Nerven.
    »Ein hübscher Raum«, sagte Phrynne. »Ich liebe Himmelbetten.«
    »Danke«, wandte sich

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