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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Dee seine Gedanken durch hoffnungsvolle Träumerei von den betrüblichen Ereignissen der Gegenwart ab, bis er in seine Räume kam und, nachdem er Papiere und Pergamentrollen durchwatet hatte, vor seinem Schlafgemach zögerte.
    Er hatte sich gerade zum Eintreten entschlossen, als er mit einigem Erstaunen bemerkte, daß er einen Besucher hatte. Die Gestalt saß an seinem Schreibtisch und untersuchte ein zur Hälfte konstruiertes Fernrohr, versuchte sogar die Linse einzupassen, die Dr. Dee noch nicht zu seiner vollen Zufriedenheit geschliffen hatte. Dee runzelte die Stirn. »Sir?«
    »Sir«, sagte der Besucher, und es war wie ein klares Echo.
    Ein Doppelgänger?
    »Kenne ich Euch?« fragte Dee. »Seid Ihr einer von Mur
    dochs Bekanntschaften?« Ein prickelndes Gefühl von Erwartung breitete sich in ihm aus, als ihm die Möglichkeit bewußt wurde, daß er endlich von Angesicht zu Angesicht einem echten Dämonen gegenüberstehe.
    »Ich kenne Euch, Sir, und kenne Euer tiefstes Verlangen.«
»In der Tat!« Dee gab sich belustigt.
»In der Tat.« Ein weiteres Echo.
    Die Gestalt erhob sich und blieb im Schatten, als sie sich die
    Wand entlangbewegte und der Stelle näher kam, wo Dee stand,
eine Hand an der Tür seines Schlafraumes.
»Wollen wir nicht eintreten, Dr. Dee?«
    »Warum?« Dee hatte sich den Eigentümlichkeiten der Natur
    und den verschiedengestaltigen Manifestationen des Übernatürlichen zu oft gegenübergesehen, um wirkliche Beunruhigung zu verspüren, aber sein Schlafgemach enthielt das einzige Geheimnis, das mit anderen zu teilen er sich weigerte. »Weil ich Euch einen Handel vorschlage«, sagte die Gestalt bedächtig. »Ich weiß, was Ihr dort drinnen habt. Ich kenne die Probleme, die Euch bedrückt haben. Ich kann sie lösen.« Dee zögerte. Sein Herz begann dumpf und hart zu pochen. »Ihr kennt sie, sagt Ihr?«

»Und ich kann Euch geben, wonach Ihr so lange gestrebt.«
»Zu welchem Preis?«
Der andere zuckte die Achseln.
    Dr. Dee drückte lachend die Klinke nieder und stieß die Tür
    auf, um seinem Gast den Vortritt zu lassen.
    »Ihr seid gekommen, um meine Seele zu erwerben, wie?«
    Seine Augen brannten.
    »Nein, Sir. Ich bin gekommen, Euch eine zu verkaufen –
    oder Euch wenigstens die Möglichkeit zu geben, eine zu erwerben.«
    Die Tür fiel hinter den beiden zu. Die Papiere regten sich in
    der Zugluft und kamen wieder zur Ruhe. Eine schwarze Ratte, die sich bei Dr. Dees Eintreten verkrochen hatte, kam wieder zum Vorschein und durcheilte den Raum zu einer Bank, um an ihr emporzuklettern. Auf der Bank stand ein Käfig, in welchem eine andere Ratte saß, ein Albinoweibchen, das seinen wilden Besucher mit zuckenden Schnurrbarthaaren und wachsamer Faszination anstarrte.
    Die schwarze Ratte erreichte die Gitterstäbe und hob schnüffelnd den Kopf. Die weiße Ratte blieb zusammengekauert in der Ecke ihres Käfigs sitzen. Die schwarze Ratte stieß einen quietschenden Laut aus. Langsam, wie unter einem Zwang, kam die weiße Ratte näher, bis ihre schnuppernden Nasen einander berührten.
    Aus dem Schlafgemach drang ein plötzlicher Ausruf, und die schwarze Ratte fuhr zusammen und hob den Kopf, bereit zur Flucht. »Es ist nicht möglich!« »Doch, es ist möglich, Sir, seid dessen versichert.«
    »In dem Fall, mein Freund, würde ich Euch alles geben!«
    Die schwarze Ratte schnüffelte wieder durch die Gitterstäbe.

    DAS ACHTZEHNTE KAPITEL

    In welchem Lord und Lady Rhoone das Auftreten mysteriöser Störun
    gen in der Ordnung des Hofes diskutieren

    »Es hätte ein Gerichtsverfahren geben sollen, meine Liebe«, sagte Lord Rhoone, als er das letzte Stück Rindfleisch von der Platte nahm, die der Diener ihm hielt.
    Sie frühstückten in ihrer übermöblierten Wohnung, angenehm durchwärmt vom Sonnenschein des Junimorgens. Lady Rhoone, auf der anderen Seite, stützte ihr großes, rotes Kinn in die Hand und legte das Messer nieder, um ein Stück Brot zu nehmen, das sie mit stumpfsinnigem Ausdruck anstarrte. »Gegen Sir Tancred?« »Er ist unschuldig, darauf möchte ich schwören.«
    »Er scheint mit seinem Los in Brans Turm zufrieden. Er wähnt sich in der Gewalt eines menschenfressenden Unholdes, der ihn, den Ritter, eingekerkert hat. Er erwartet die Ankunft einer kriegerischen Jungfrau, einer Ciorinde, die ihn aus seiner Gefangenschaft befreien soll. Unschuldig oder schuldig, mein Herz, er ist verrückt und muß darum irgendwo in Gewahrsam gehalten werden. Die Königin und andere besuchen ihn.« Sie biß von

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