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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Grasflächen durchstreiften, von Baumästen herabspähten und die Terrassen bevölkerten. Der fremdartige, lederige Geruch der großen, schillernden Reptilien, die Sir Tom Ffynne als Geschenk mitgebracht hatte und die das Winterhalbjahr in einem eigens hergerichteten Raum nahe dem Heizungskeller mit den großen Kesseln zu verschlafen pflegten, drang durch die offenen Fenster zu Glorianas Nase, als sie die Pläne begutachtete, die Meister Marcilius Gallimari, der Leiter der Hoflustbarkeiten, ihr vorgelegt hatte.
    »Es wird wie gewöhnlich eine glänzende und sorgfältig aus
    gearbeitete Angelegenheit werden, Euer Majestät«, erläuterte er eifrig. »Mit der gesamten Ausstattung eines alten, ritterlichen Turnierfestes. Ich habe den großen Innenhof gewählt, weil er sich für die Abhaltung besonders gut eignet und den vielen Zuschauern in den Fenstern und Arkadengalerien der umliegenden Gebäude unvergleichliche Sichtverhältnisse bietet. Indem Ihr selbst als Königin Urganda dem Lanzenbrechen beiwohnt …«
    Sie seufzte. »Die Pläne sind sehr klug und umsichtig ausge
    arbeitet, Meister Gallimari«, sagte sie, sich auf die Couch zurücklehnend und zum Fächer greifend. Sie trug leichte Gewänder aus hellfarbigem Leinen und Musselin, mit einer kleinen Spitzenkappe auf dem leuchtenden Haar. »Ich versichere Euch meiner Zustimmung.«
    »Ich werde Meister Wheldrake ersuchen, für den Anlaß einige Verse zu verfassen – weil das Thema seinem Herzen so nahe ist.«
    »Verse? Natürlich. Und Ihr solltet wenigstens ein paar Zeilen
bei Meister Wallis in Auftrag geben, sonst würde er gekränkt
sein.«
»Vielleicht eine Einleitung und ein Lied?«
»Ausgezeichnet.«
    »Meister Tolcharde wird die illusionistischen Effekte ausarbeiten. Habt Ihr Wünsche bezüglich der Rollenverteilung, Majestät – für die Ritter, Götter, Göttinnen, Ungeheuer und so weiter?« »Wählt dafür aus, wer Euch geeignet erscheint.«
    »Einige haben bereits ihre Rollen gewählt. Eure Erlaubnis ist
notwendig, Euer Majestät.« Sein dunkles Gesicht verharrte in
ehrerbietigem Lächeln.
»Ihr habt meine Erlaubnis.«
    Meister Gallimari war ein wenig enttäuscht; entmutigt vom offenkundigen Desinteresse der Königin an seiner kunstvollen Unterhaltung, die für den Jahrestag ihrer Thronbesteigung geplant war. Seit den Tagen des Frühlingsfestes hatte er sich an die scheinbare Zerstreutheit und Gleichgültigkeit der Königin gewöhnen müssen. Zuweilen war er überzeugt, daß sie ihn für Lady Marys Tod verantwortlich machte. Zögernd, mit der Hoffnung, seine Befürchtungen zerstreut zu sehen, fügte er hinzu: »Und die Musik, Eure Majestät?« »Gebt sie in Auftrag.«
    »Komponisten und Musiker müssen bezahlt werden.«
    »Wir werden sie bezahlen. Im übrigen wird die Hofkapelle
ausreichen.«
»Und Tänzer?«
»Meister Priest kann Tänzer und Tänzerinnen bereitstellen,
wie gewöhnlich.«
»Danke, Majestät.«
    Meister Gallimari blickte unbehaglich in das schwermütige Gesicht der Königin. »Eure Majestät sind nicht unzufrieden?« »Mit der Sommerunterhaltung? Eure Erfindungen und Einfalle, Meister Gallimari, sind so ausgezeichnet wie immer. Es wird sicherlich ein fröhliches und glanzvolles Fest.« Er hätte schwören mögen, daß in ihrer Stimme ein Unterton von Ironie mitschwang.
    »Es scheint, Majestät, daß Ihr das Interesse an meiner Arbeit verloren habt. Wenn etwas fehlt …«
    Sie lächelte und wurde herzlich. »Meister Gallimari, Euer einziger Fehler ist, daß Ihr Mißbilligung zu sehen glaubt, wo in mir nur Traurigkeit ist. Ich vertraue darauf, daß Ihr meine Stimmung verbessern werdet. Bemüht Euch nach Kräften. Ich werde Eure Anstrengungen zu würdigen wissen.«
    Erleichtert verneigte sich der stattliche Neapolitaner und zog sich aus ihrer Gegenwart zurück.
    Die Königin sah Una in sommerlicher Seide und mit schwin
    gendem Reifrock über die Rasenfläche schlendern, begleitet von einer leicht schwankenden Lady Lyst, deren blaue Augen sich beim Anblick eines der stattlichen Reptile in Schrecken weiteten. Mit einer Gebärde komischen Entsetzens ergriff sie den Arm ihrer Begleiterin. »Wahrhaftig, die reinsten Drachen!«
    »Sie bewachen die Königin«, sagte Una leichthin, »wie die Drachen der alten Zeiten Königin Gwynifer bewachten.« Lady Lyst straffte ihre Haltung. »Sie braucht die Wächter«, erklärte sie. »Wir sind alle in Gefahr, besonders wir Frauen. Es sind weitere Frauenmorde geplant. Wheldrake glaubt es auch.« Sie tauschte

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