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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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beharren, daß Sir Tancred der Mörder ist.« Sie schien in königlicher Empörung zu brennen. »Ich werde keinen Krieg erlauben. Niemals, es sei denn, Albion würde angegriffen.«
    »Arabien erweist sich von Tag zu Tag mehr aggressiv«, sagte Palfreyman. »Es wird bald losschlagen.«
    »Wenn es losschlägt«, sagte Gloriana, »werden wir zurückschlagen. Wir sind Albion, und es ist unsere Pflicht, den alten Gewohnheiten des Eisernen Zeitalters zu widerstehen. Ist nicht jeder von uns hier ebenso wie unser ganzes, über drei Kontinente verstreutes Volk davon überzeugt? Wünscht nicht ein jeder von uns, daß dieses Goldene Zeitalter überlebe? Daß es widerstandsfähiger und gefestigter und schließlich unverletzlich werde? Ich weiß, daß wir alle, die wir in dieser Runde versammelt sind, dies wünschen. Es ist der Traum, den wir alle teilen. Der Traum, den die Lords Montfallcon und Ingleborough träumten, während Tag für schrecklichen Tag Unglückliche zum Richtplatz geführt wurden und das Henkerbeil niemals trocken wurde. Wir zeigen der ganzen Welt den Weg zurück zu wahrer Ritterlichkeit. Wir stehen gegen Ungerechtigkeit, Unmoral, Grausamkeit und Tyrannei. Und darum sind wir sicher. Eine nichtswürdige Handlung von Albions Seite, und das gesamte Gebäude zerfällt, weil der Traum zerstört ist. Ich bin Eure Gloriana, Eure Königin, Euer Gewissen und Euer Glaube. Ich erinnere und verpflichte Euch, Ihr Herren, aufs neue an eine Pflicht, die ich nicht vergessen habe und die auch ihr nicht vergessen dürft.«
    Montfallcons Gesicht hellte sich auf, während sie sprach. Eigennutz, Zorn, Enttäuschung, Zynismus und Bosheit schmolzen von jedem Gesicht. Als sie geendet hatte, hob Lord Ingleborough die gichtigen Fäuste und rief: »Hört! Hört!«, während er umherblickte, als wolle er jeden herausfordern, der die Zustimmung verweigerte.
    Und die Königin Gloriana lachte und erhob sich zu ihrer vollen Höhe, ihr hoher, gestärkter Kragen wie eine weißglühende Aurora hinter der flammenden, kastanienbraunen Pracht ihres Haares, und die grünblauen Augen, die stolzen, entschlossenen Augen, waren die Augen von König Hern, den manch einer für den leibhaftigen Prinzen der Dämonen gehalten hatte, den Anführer der Wilden Jagd, der unter seiner hohen eisernen Krone Geweihstangen verbarg; und ihre Hände waren die kräftigen Hände ihrer kriegerischen Vorfahren, während das Lächeln, welches ihrem Lachen folgte, das süße, sinnende Lächeln ihrer Mutter Flana war, die im Alter von dreizehn Jahren ihr Leben für Gloriana gegeben hatte. Durch diese Mittel erinnerte sie ihren Rat halb spontan, halb absichtlich an ihre Legende und ihre Macht; und an ihre Ursprünge, die, wie sogar sie glauben konnten, als die Königin so vor ihnen stand, wenigstens zur Hälfte übernatürlich waren.
    Lord Montfallcon verneigte sich vor ihr. »Ihr tut gut daran, Majestät, uns zu ermahnen. Wir werden unsere Pflicht tun, jeder einzelne von uns.«
    »Eine ungerechte Tat, so geringfügig sie auch sei«, sagte sie, »und wir verraten alles andere.«
    Dann, um ihre eigene Erschöpfung und ihre inneren Befürchtungen zu verbergen, entbot sie ihnen allen einen guten Morgen und überließ es ihnen, ihre Diskussion im Geist von Ehre, Tugend und Idealismus fortzusetzen.
    Nur Ingleborough, der alsbald wieder schläfrig in sich zusammensank, schaute ihr nach und verstand, welchen Edelmut und wieviel Tapferkeit sie an diesem Tag gezeigt hatte.

    DAS ZWANZIGSTE KAPITEL

    Die Königin nimmt ihre Suche nach Trost wieder auf, und die Gräfin
    von Scaith macht eine schreckliche Entdeckung

    An diesem Abend war die Stimmung am Hofe leichter und heiterer, als sie es viele Wochen lang gewesen war. Es fand ein Ball statt, und die Königin ließ es sich nicht nehmen, ihre Höflinge in den Eskaladen und Kontertänzen anzuführen, und die Hofkapelle gab ihr Bestes und spielte beschwingt und scheinbar mühelos die kompliziertesten Partituren, und viele Stunden lang herrschten Gelächter und Frohsinn in den vom Hofstaat bevölkerten Sälen und Korridoren; dann machte eine ermüdete und einsame Gloriana sich auf den Weg zu den geheimen Zimmerfluchten ihres Serails, um Belohnung für die brillante Rolle zu finden, die sie gespielt hatte, um den Hof zu ermuntern und die dunklen Wolken des Trübsinns zu verjagen. Sie suchte die einfallsreichen Aufmerksamkeiten ihrer Zwerge und Kinder, die als phantastische Geschöpfe der Mythologie gekleidet waren, die Zärtlichkeiten ihrer

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