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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Herausforderung zu regeln. Er bedauerte, daß einige der alten Bräuche, die unter König Hern gang und gäbe gewesen, nun verpönt waren, und schickte einen finsteren Blick über den Tisch zu seinem möglichen Rivalen. Lord Gorius gab vor, ihn zu ignorieren. Unterdessen saß Meister Florestan Wallis an seinem Platz und komponierte Verse auf ein Blatt Papier, einen Ausdruck fast lächerlicher Heiterkeit in den hageren Gelehrtenzügen, während neben ihm Auberon Orme summend an einem Blumenstrauß schnupperte, in seiner Weise offenbar ebenso zufrieden wie sein Ratskollege. Meister Gallimari war mit Entwürfen zu neuen Arrangements beschäftigt, Sir Vivien Rich murrte ein wenig über die Hitze und vertropfte Schweiß auf Tisch und Schreibzeug, und seine Kollegen Palfreyman und Fowler gähnten und plauderten gleichfalls über die erschöpfende Natur der Hitze, die den Wunsch erzeugte, den ganzen
    Tag zu verschlafen.
    Lord Montfallcon saß mit verschlossener Miene zurückgelehnt, überblickte den langen Tisch und fragte sich, wie er jemals hatte so unvernünftig sein können, einen jämmerlichen Haufen von Weichlingen, Gecken und Schwätzern wie diesen um sich zu versammeln. Er faßte den Entschluß, sie alle zu ersetzen, sogar Lisuarte Ingleborough, der zu gebrechlich wurde, um seinen Pflichten nachzukommen. Er erinnerte sich, mit welcher Sorgfalt er diese Männer ausgewählt hatte, wie er die Qualitäten von Charakter und Intelligenz abgewogen hatte, und wieder begann er seine Urteilsfähigkeit in Frage zu stellen, wurde aber von Sir Orlando Hawes unterbrochen, der, ganz in Weiß gekleidet und noch mit dem Zuknöpfen seines Wamses beschäftigt, hereingeeilt kam und sich schnaufend für seine Verspätung entschuldigte. Seine ebenholzschwarze Haut schien eine ungesunde Verfärbung angenommen zu haben, und auch er schwitzte und stank kräftig nach Lavendelwasser und einem Frauenschlafzimmer, wie auch die meisten der arideren nach Rosen oder Veilchen stanken. Eine feine Sammlung welkender Blüten, dachte Montfallcon. Die erste Krise seit bald dreizehn Jahren, und sie verloren die Fassung. Aber konnte es der Mord allein gewesen sein, der sie so verändert hatte? Es schien unwahrscheinlich. Er sehnte sich nach einigen seiner alten, grimmigen Kollegen, jetzt tot oder im Ruhestand, die mit praktischem Verständnis an das Problem herangegangen wären. Ein paar Diener auf die Streckbank, ein paar Adlige mit Anklagen wegen Verrats bedroht, und die Wahrheit wäre im Nu ans Licht gekommen.
    Die Türflügel wurden aufgestoßen. Beim Eintreten der Königin erhoben sie sich, selbst Ingleborough. Sie schritt langsam zu ihrem Platz, und als die Ratsmitglieder sich zu ihr verneigten, wurden sie von dem hellen Licht des Fensters hinter ihr geblendet. Sie blieb einen Augenblick lang am Kopfende des Tisches stehen und betrachtete die Runde ihrer Berater mit gedankenvollem Ausdruck, dann setzte sie sich und erlaubte auch ihnen, ihre Plätze wieder einzunehmen.
    »Welche Geschäfte haben wir zu besprechen?« fragte sie, nachdem sie die Räte begrüßt hatte. Montfallcon war überrascht von der Lebhaftigkeit ihrer Stimme.
    Unbekümmert um die Reihenfolge des Protokolls, verkündete Lord Ingleborough: »Tom Ffynne wurde nach Zahlung des geforderten Schadenersatzes auf freien Fuß gesetzt. Er wird in Kürze mit seinem eigenen Schiff zurückkehren.«
    »Eine gute Nachricht. Aber er muß bestraft werden, Großadmiral. Seine gesamte Beute – wenn er welche hat – ist zu konfiszieren. Und er muß eine Summe zahlen, die dem entrichteten Lösegeld entspricht.«
    Lord Ingleborough nickte, im Einverständnis mit dieser Justiz.
    Montfallcon verspürte Erleichterung. In letzter Zeit hatte die Königin sich wenig um die Staatsgeschäfte gekümmert und kaum noch Hinweise gegeben, wie sie dies oder jenes geregelt wünschte. Nun schien sie wieder gewillt, die Zügel in die Hand zu nehmen. Eine Wärme durchglühte ihn, die nichts mit der Sonnenhitze zu schaffen hatte. Fast schien es, als zeigte Gloriana endlich etwas von der Kraft und Entschlossenheit ihres Vaters. Auch die übrigen Ratsmitglieder spürten es, ermunterten sich und blickten erwartungsvoll zur Königin, die aufrecht und lächelnd an ihrem Platz saß.
    »Euer Majestät«, begann er, »was die Angelegenheit des Mordes an Lady Mary angeht, so muß ich zu meinem Bedauern …«
    Sie winkte ab. »Diese Geschichte ist am besten vergessen, Milord. Obgleich wir für den armen, verrückten Sir Tancred

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