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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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abzuwaschen, als ihr klarwurde, daß die Katze nicht gesprochen haben konnte.
    Sie wandte sich um, und aufblickend sah sie ein weißes Gesicht herabstarren. Der Mund war qualvoll verzogen und voll blutigem Schaum. Sie stand starr vor Entsetzen, unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Doch als sie fassungslos zu der Erscheinung hinaufstarrte, schob diese mehr von ihrem Körper nach, bis sie halb aus der Öffnung hing, keuchend und den Blick der stieren, vorquellenden Augen noch immer auf sie gerichtet. Im Rücken der Gestalt stak ein Dolch, bis zum Heft hineingetrieben.
    »Tallow«, stieß die Gräfin hervor. Sie hatte den kleinen Mann wiedererkannt, der sie und die Königin durch die Tiefen des Palastes geführt hatte.
    Dann fiel der Körper mit schlaffen Armen aus der Öffnung auf den Stuhl, der mit ihm vom Tisch fiel, polterte zu Boden und blieb dort auf dem Rücken liegen, um zu zeigen, wie die Dolchspitze aus dem blutigen, geflickten Wams ragte. Tallow versuchte sich herumzuwälzen, aber er hatte nicht mehr die Kraft. Sie eilte hinzu und half ihm in sitzende Haltung, was dazu führte, daß ein Blutsturz aus seinem Mund quoll. »Er … er hat mich getötet. Ich wehrte … wehrte mich.«
    »Wer hat Euch getötet, Tallow?«
    Aber der Kopf fiel dem Mann auf die Brust, und er atmete nicht mehr. Der Blutfluß ließ allmählich nach, hörte beinahe ganz auf, und Una stand auf und starrte in halb bewußtlosem Entsetzen auf Jephraim Tallows Leichnam, während die verwundete Katze aus der Waschschüssel miaute.
    Sie ging zu ihr, streichelte die Katze und badete sie, so gut sie konnte. Sie zerrte ein Laken aus ihrem Bett und warf es über den Toten. Sie hob den Stuhl und das Gitter auf, kletterte wieder hinauf und klemmte den Holzrahmen in die Öffnung, als fürchtete sie, daß weitere Leichen sich durch die Öffnung in ihr Schlafgemach zwängen möchten. Sie nahm ein weiteres Laken und hüllte die Katze hinein, um sie so auf ihr Kissen zu legen. Dann zog sie sich einen Hausmantel über, während Elizabeth Moffett an die Tür klopfte. »Madame? Milady?« »Leg dich wieder schlafen, Elizabeth!« befahl die Gräfin, die ihre Kaltblütigkeit wiedergefunden hatte. Sie wollte das schlichte Mädchen nicht hineinziehen. »Es ist nichts.« »Seid Ihr sicher, Milady?« »Sei unbesorgt.«
    Politische Überlegungen gingen Una durch den Kopf. Ein weiterer Mord, und dieser noch geheimnisvoller als der erste, da das Opfer niemandem bekannt sein würde; alles war dazu angetan, den Hof in noch größere Aufregung und Verwirrung zu stürzen. Sir Tancred galt als schuldig und war eingekerkert. Man betrachtete die unglückliche Angelegenheit als erledigt, und alle waren erleichtert. War es möglich, daß Tallow von seinem Mörder zu ihr geschafft worden war, als eine Warnung? Gleichviel, sie konnte die Königin nicht hineinziehen. Sie konnte Gloriana nicht daran erinnern, was jenseits der Wände lag, nicht jetzt. Und doch brauchte sie Hilfe.
    Sie schloß ihren Hausmantel, verließ ihr Schlafgemach und sperrte es hinter sich ab. Elizabeth war nicht mehr im Vorraum. Sie entriegelte die Tür zum Korridor und trat hinaus. Laternen erhellten die weiten, hohen Gänge, durch die gemessenen Schrittes Palastwachen patrouillierten, aber niemand hielt sie auf, als sie zu Magister Wheldrakes Räumen hinübereilte. Als sie kräftig gegen die Eichentür klopfte, hörte sie von drinnen ein Gemurmel und einen Aufschrei. Sie wartete. »Wer ist da?« »Scaith.« »Seid Ihr es, Una?« Lady Lyst war betrunken. »Laßt mich ein.«
    Die Tür blieb zu. Una wurde ungeduldig. Endlich drehte der Schlüssel sich im Schloß, und die Tür schwang auf und zeigte ihr zwei derangierte Gestalten. Wheldrake schaute verwirrt und beschämt drein, Lady Lyst unbekümmert in ihrem berauschten Zustand. Sie hielt etwas hinter ihrem Rücken. Beide trugen Nachtgewänder.
    »Wheldrake und ich …« fing Lady Lyst an. »Wir …« Sie warf hinter sich, was sie in der Hand gehalten hatte, und Una hörte es hinter einem Tisch zu Boden fallen.
    Meister Wheldrake half seiner Geliebten zu einem Stuhl und lud die Gräfin ein, sich zu setzen, aber Una blieb stehen. »Es ist ein Mord geschehen«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Wieder einer?« Lady Lyst zog die Stirn in Falten und griff nach einem Glas, das auf dem Tisch stand. »Großer Mithras!« »Hier … hier im Palast?« stammelte Wheldrake. »Oh, Gräfin! Wer ist es?«
    »Ein Fremder. Glücklicherweise, denke ich. Ich kenne ihn

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