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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Schultern, Brüste, Schenkel und den Leib. »Oh, Gloriana, du bist mein, und wir sind beide erfüllt.«
    Und Sir Amadis Cornfield, unterwegs zum alten Thronsaal, wo er eine heimliche Verabredung mit seiner eigenen Nymphe der Nacht, seiner reizenden, lachenden Schönen einzuhalten trachtete, hielt stirnrunzelnd inne, als er im Korridor Glorianas ferne, flüsternde Stimme vernahm.
    »Ich bin verraten um die Sehnsüchte meines Körpers, und er verweigert mir die Ruhe … Oh, diese Last, diese brennende, schändliche Bürde …« Die Stimme verstummte; es schien, als ob Gloriana endlich eingeschlafen wäre.
    Sir Amadis tappte weiter, fort von seiner Gemahlin und seinen Pflichten, und lustvolle Gedanken pochten erwartungsfroh hinter seinen Schläfen, denn heute nacht mußte sie sich gewiß bereitfinden, ihm mehr zu geben als ihre Küsse …
    In Magister Wheldrakes fast dunklem Schlafgemach nahm Lady Lyst einen großen Humpen Wein in eine Hand und eine dünne Reitgerte in die andere und raffte ihr Nachtgewand ein kleines Stück, so daß der arme, keuchende Poet seine Lippen auf den Schuh drücken und »Euer Majestät« murmeln konnte, denn sie mußte, wie immer, wenn diese Stimmung ihn überkam, die Königin für ihn sein. »Euer Majestät Bestrafung ist gerecht, denn ich bin böse und unwürdig. Möge Eure Peitsche mich zur Tugend anfeuern und mich näher zu der Muse hinführen, so daß meine Verse wieder jener Ekstase entgegenstreben können, die sie besaßen, als ich zum erstenmal Euer Bild gewahrte und beschloß, mich Euch zu Füßen zu werfen … Majestät!«
    »Jetzt, Wheldrake?« fragte Lady Lyst mit undeutlicher
Stimme und hob die Reitgerte.
»Ja. Jetzt! Jetzt!«
Die Reitgerte sauste nieder.
    Lady Lyst verzog schmerzlich das Gesicht. Sie hatte ihr eigenes Bein getroffen.

    Als die Stimme der Königin endlich verstummt war, begann die Gräfin von Scaith wieder einzudämmern, wurde aber von einem anderen Geräusch abermals aufgerüttelt. Es kam von oben, als liefen Ratten in einem Hohlraum über ihrem Schlafgemach hin und her. Kurz darauf folgte ein Stöhnen, nicht Glorianas entfernte, flüsternde Stimme, sondern viel näher bei ihr, und sie setzte sich im Bett auf und tastete nach dem Dolch, den sie seit der gräßlichen Bluttat an Lady Mary unter ihrem Kopfkissen zu verwahren pflegte. Sie fand die Waffe, umfaßte das Heft, zog den Bettvorhang zurück und fühlte die Kerze auf dem kleinen, geschnitzten Tisch. Feuerstein sprühte Funken, Zunder glomm, und die Kerze leuchtete auf. Die Schatten, die sie warf, ließen den Raum düster erscheinen. Die Gräfin stand mit raschelndem Leinengewand auf, den Dolch in der Rechten, die erhobene Kerze in der Linken, und blickte umher. Das Stöhnen wiederholte sich. Sie erinnerte sich an die Entlüftungsöffnung mit dem Gitter und spähte hinauf. Stand auch diese Öffnung mit dem Labyrinth der Wandgänge in Verbindung? War dort eine Bewegung, ein Glitzern wie von Augen? »Wer ist dort?«
    Wieder das Stöhnen, schwach, aber deutlich genug.
»Was wollt Ihr?«
Das Stöhnen wiederholte sich.
Sie zog einen Stuhl heran, um sich Klarheit zu verschaffen.
Dann hielt sie inne. »Hinweg! Packt Euch!«
Ein miauendes Geräusch.
    Sie stellte den Stuhl auf den Tisch gegen den blauen und grünen Wandteppich, der Tristan und Isolde, die Burg und das Meer zeigte, und kletterte mit der Kerze hinauf, um in ihrem Lichtschein in die Öffnung zu spähen. Wieder vernahm sie das leise Stöhnen. Und nun ein Wort: »Helft …« »Wer seid Ihr?« »Bitte, ich flehe …«
    Sie schob die Spitze des Dolches zwischen Gitter und Stuck und benutzte den Dolch als Hebel. Es bedurfte nur eines geringen Druckes, und das Gitter fiel heraus, als sei es schon immer unvollkommen befestigt gewesen. Es fiel mit Geklapper zuerst auf den Tisch und dann auf den teppichbelegten Boden. Ein winziges, jämmerliches Geräusch. Sie hob die Kerze, und ihr erster Anblick war der einer schwarz-weißen Katze, deren gelbe Augen im Kerzenschein wie von Schmerzen umflort schienen. Das Tier sprang auf sie herab, nicht um anzugreifen, sondern um Sicherheit zu finden, und beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren. Das Tier klammerte sich an ihrer Schulter fest, und sie sah, daß es verwundet war – eine schreckliche Schnittwunde in der Seite, das Fell naß und verklebt von Blut. Vorsichtig stieg sie von Stuhl und Tisch und trug das Tier zum Waschtisch, wo ein Krug Wasser neben der Schüssel stand. Sie begann das Blut behutsam

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