Gloriana
Geishas und ihre weichen, sanften Worte; die parfümierten, geschmeidigen Körper ihrer Jungen, die rauhen Hände grausamer Frauen, die sie in jeder Unwürdigkeit belehrten; die stumpfsinnigen Halbmenschen des Dschungels; die kalten Huren männlichen und weiblichen Geschlechts, in ihren Häuten aus weißer Seide; die zitternden Mädchen, die unter den Schlägen ihrer Peitsche wimmerten. Von einem überheizten Raum zum anderen ging sie, hoffnungsvoll, daß sie, die sich ihrer Pflichten so freigebig entledigt hatte, nun auch Linderung ihres Verlangens finden möge; aber es gab keine Linderung für sie. Wankend vor Erschöpfung kehrte sie schließlich in ihre Gemächer zurück, schloß die schweren Vorhänge in ihrem Schlafgemach und beklagte in der Dunkelheit die Ungerechtigkeit ihres Geschicks. Lord Montfallcon, von seinen drückenden Sorgen weniger beschwert, seit Gloriana sich der Herausforderung gewachsen gezeigt und ihn so versichert hatte, daß der Traum aufrechterhalten bliebe, erwachte vom dünnen, entfernten Klang ihres Weinens, während seine Frauen sich neben ihm regten, unruhig, aber noch im Schlaf. Er war erstaunt, daß die Königin nicht die Erleichterung verspürte, die er jetzt fühlte. Seine neue Stimmung konnte sich nicht sogleich verflüchtigen. Ach, Albion, dachte er ohne viel Inbrunst, noch immer unerfüllt, wie mein Ziel unerfüllt geblieben ist; und warum sind beide so eng miteinander verbunden? Diese Sammlung von Geschöpfen, die sie in ihrem Serail erhält, ist nur Ablenkung und bringt ihr mehr Kummer, und ob sie ihr auch nicht geben können, was sie wünscht, so glaubt die Königin in ihrem Pflichtgefühl, sie müsse sie behalten. Sie bleiben unbestraft, diese wollüstigen, abartigen, verzerrten Ungeheuer, weil die Königin zu großzügig ist. Statt dessen werden sie mit jedem Luxus belohnt. Gloriana würde glücklicher sein, wenn sie frei von ihnen wäre, frei von all diesen privaten Verantwortlichkeiten gegenüber solchem Anhang, doch sie fährt fort, ihn zu vergrößern. Das ist nicht die Qualität von Gewissen, die ich ihr von Kindheit an einflößte. Es ist bloße Gefühlsduselei. Sie ist von alledem erschöpft. Wer profitiert davon? Nicht Albion. Eheschließung muß die Antwort sein, kein Zweifel – aber mit wem?
Hern hatte so viele seiner eigenen Verwandten umgebracht, daß es im Reich nur noch wenige gab, die von sich sagen durften, daß sie einen größeren Anteil von königlichem Blut in ihren Adern hatten. Montfallcon dachte an die Grafen, Fürsten und Herzöge von Hibernia, Eire, Valentia und Virginia. Es wäre besser gewesen, wenn dieser Scaith einen Sohn gehabt hätte und nicht die Tochter, welche der Königin nun in mancher Weise den Ehegemahl ersetzte – und dies so gut, daß Gloriana nichts vermißte. Der Großkalif war zu machtgierig und würde sich als Prinzgemahl nicht beherrschen lassen; überdies sprach manches dafür, daß er keinen Thronerben hervorbringen würde, und ein solcher war es, den Albion nötig hatte. Kasimir von Polen konnte die Königin nicht heiraten, ohne den Kalifen zu beleidigen. Anderswo gab es zu alte und zu junge, verrückte oder kranke Prinzen. Die Königin von Korinth hatte erst im vergangenen Monat ihre Brüder samt und sonders erschlagen. In Venedig, Genua, Athen und Wien existierten Republiken der verschiedensten Verfassungen, und die einheimischen Geschlechter des Hochadels waren umgekommen oder fast mittellos ins Ausland geflohen und schieden daher als Ehepartner aus. Die Äthiopier waren alle verrückt. Prinz Henri von Paris lag im Sterben. Nein, es mußte irgendein Edler aus Albion sein, selbst wenn man ihn zuvor zum Herzog ernennen mußte.
Wieder drang die ferne Stimme an sein Ohr, und er vergrub den Kopf im Kissen, um sie nicht mehr hören zu müssen. Auch die Gräfin von Scaith hörte das Weinen und erwachte aus tiefem und unerquicklichem Schlaf, worin ihr geträumt hatte, sie erforsche eine einfachere, unschuldigere Welt, eine von John Dees anderen Sphären …
Und auch John Dee, unter seinem schwarzen Baldachin, hörte die Königin, antwortete ihr aber munter, während er sein riesiges Geschlecht in das Geschöpf unter sich trieb. »Hier! Komm und sing mit! Hebe dich im Crescendo jubelnd empor!« Und seine bizarre Geliebte fand in köstlicher Vollendung zu ihm, als er »Gloriana!« stöhnte und sich erschöpft keuchend von ihr wälzte. »Gloriana …« Er strich ihr über das kastanienbraune Haar, das liebliche Gesicht, über die
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