Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
Gerücht behauptet, sie sei tot.«
    »Und ein anderes will wissen, daß sie geflohen sei. Es gibt
    sogar ein Gerede, wonach sie in die Tatarei gereist sei, um dort am Hofe Eures Herrschers zu leben.«
    Oubacha Khan lächelte leicht. »Ich wollte, es wäre so, Maje
    stät.«
    »Ihr scheint nicht zu denken, daß sie eine Mörderin war.«
    »Das gilt mir gleich. Wenn sie am Leben ist, möchte ich sie
    suchen.«
    Gloriana war erstaunt über die Heftigkeit seiner Empfindung,
    blieb selbst aber förmlich. »Das ist Lord Rhoones Verantwortlichkeit; und Lord Montfallcons.«
    Oubacha Khan murmelte ein Geheimnis: »Auch meine Ge
    währsleute suchen.«
»In Albion?«
»Überall, Majestät.«
    »Dann dürft Ihr nicht unterlassen, Lord Rhoone von allem zu
    unterrichten, was Ihr hört, Milord.«
    »Das werde ich selbstverständlich tun, Majestät. Seltsamerweise aber haben wir nichts gehört. Es gibt keinen Hinweis, daß sie den Palast überhaupt verlassen hat.«
    »In der Tat?« So schmerzhaft empfand sie den Gegenstand
    des Gesprächs, daß sie Langeweile vorgab und sich abwandte, um ihre wahren Gefühle, ihr brennendes Interesse zu verbergen.
    »Wir setzen unsere Suche fort.«
    »Wir haben gehört, Milord, daß die tatarischen Kaufleute in enger Handelsverbindung mit den Völkern unserer ostindischen Provinzen stehen«, begann Gloriana mit erhobener Stimme. »Vor allem mit den Gebirgsländern Pathania und Afghanistan. Ist dieser Handel einträglich?«
    Auch er wurde ein Mann der Öffentlichkeit und erwiderte: »Kaufleute werden reich oder sie gehen zugrunde, Majestät. Für manche wird dieser Handel ohne Zweifel einträglich sein.« »Handel zwischen den Nationen bringt Kenntnisse, und Kenntnisse bringen Weisheit. Werden Eure Kaufleute auch weise?«
    »Das Volk der Tataren ist für seine Weisheit weithin bekannt, Majestät.«
    »Die Weisheit lehrt, daß der Handel Frieden und Wohlstand fördert, während Krieg nur Armut und weitere Streitigkeiten bringt.« Sie sprach ruhig und vernünftig, doch schien es dem Khan, daß sie mit den Gedanken nicht bei der Sache war. »Es gibt eine Art von Weisheit, Majestät«, erwiderte er, »die lediglich Vorsicht ist, verhüllt durch allerlei Spitzfindigkeiten. Und es gibt eine andere, unausgeschmückte Art von Weisheit, die uns sagt, daß eine zu starke Betonung der Bedürfnisse des Handels eine Nation schafft, die ihre moralische Kraft verliert und nach innen wie nach außen schwach ist, eine Beute stärkerer Nationen.«
    »Viele unserer Stoiker würden Euch darin zustimmen«, sagte sie, »aber die Welt sollte alle Arten von Philosophien erhalten, denke ich, und es sollte die Pflicht des Rechtschaffenen sein, den Schwachen zu schützen und den Starken zu ermahnen.« Sie wußte kaum, was sie sagte, denn die Worte waren diplomatische Routine; Oubacha Khan aber, obwohl er in ähnlichen Wendungen antwortete, fand sie bedeutsam.
    »Denn in scheinbarer Schwäche kann beträchtliche Stärke verborgen sein«, fuhr sie mit einem Seitenblick hinunter zum Turnierplatz fort, wo jetzt zwei neue Ritter angetreten waren. »Die große tatarische Nation ist bekannt für ihren Scharfsinn und wird dies natürlich auch wissen.«
    Oubacha Khan sagte: »Dieser Glaube kann für denjenigen, der ihm anhängt, gefährlich werden. Stärke kann dahinschmelzen, ohne daß ein Volk sich dessen bewußt ist.«
    »Es sei denn, es wird immer wieder an die Notwendigkeit erinnert, seine Stärke zu erhalten, Milord.« Sie lächelte und reckte den Hals, um zu beobachten, wie die Ritter ihre Lanzen einlegten und mit flatternden Umhängen in vollem Galopp aufeinander losstürmten. Ein krachender Zusammenprall, aufbrandender Beifall, und es zeigte sich, daß beide Ritter ihre Renntartschen zerbrochen, sich aber in den Sätteln gehalten hatten. Unter dem Jubel der Zuschauer kehrten sie zu ihren Ausgangspositionen zurück, um neue Waffen in Empfang zu nehmen. »Sollte ich beispielsweise schwach werden, so bin ich sicher, daß Ihr als ein guter Freund bereitstehen würdet, um meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken.«
    »In der Tat, Majestät.« Oubacha Khan hatte das Gespräch weit mehr Genuß bereitet als der Königin. Er legte ihre Bemerkungen dahin aus, daß der Aufmarsch tatarischer Truppen entlang Arabiens Grenzen von Albion als ein Signal zu erhöhter Wachsamkeit aufgefaßt würde. Und er war zufrieden, denn dies entsprach seinen Vorstellungen von Diplomatie.
    »Mein lieber Lord von Kansas!« begrüßte die Königin den

Weitere Kostenlose Bücher