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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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wollten. Und Lord Montfallcon ließ es sich sauer werden, den Mann anzulächeln, der ihn seines besten Dieners beraubt hatte.
    Sir Vivien Rich nahm an einem Turnier teil und gewann, trug aber viele Prellungen davon und klagte, er werde einen Monat lang nicht auf einem Pferd sitzen können und daher die ersten Jagden der Saison Anfang September versäumen. Sir Orlando Hawes forderte einen Vetter heraus, den berühmten nubischen Ritter, Sir Vulturnus, und besiegte ihn durch Zufall, worauf er noch Stunden wie im Zustand der Benommenheit umherging. Es gab Ausflüge in die Landschaft und große Abendfeste unter freiem Himmel, die viel Trunkenheit mit sich brachten, so daß einige der Gäste verlorengingen, um anderntags in Heuschobern, Hecken oder Gräben aufgefunden zu werden, oder, in zwei oder drei Fällen, in den prallgestopften Federbetten von Bauernwitwen.
    Die Augustsonne brannte, aber die Abende waren lind und die Morgen erfrischend; und wenn die Gemüter aufbrausten, so kamen sie in der allgemeinen Fröhlichkeit rasch wieder zur Ruhe. Bei Ausritten am frühen Morgen oder in der Abenddämmerung konnte man schöne Hügel und Täler überblicken und sehen, wie die Schnitter das Korn ernteten, wie die geschmückten Barken hochbeladen auf den Kanälen zum Fluß getreidelt wurden, um in der Stadt entladen zu werden, wo große Seeschiffe die Güter einer reichen Welt löschten; und man konnte ein friedliches, glückliches, fleißiges Albion sehen und wußte, daß die Herrschaft der Königin gut war. Lady Marys Schatten und alles andere waren verblaßt. Nachrichten, die den Perrotts zugingen, hatten ein Nachlassen ihrer allgemeinen Erbitterung zur Folge, und einige unter ihnen rieten den Verwandten, ihren Frieden mit der Königin zu machen, die immer ihre wohlwollende Freundin gewesen sei. Polen, Sarazenen und Tataren mischten sich unter das Volk von Albion und erwiesen sich als humane, anständige Männer und Frauen, und die Kriegsgefahr versank hinter dem Horizont.
    Der Jahrestag brach an, und am Morgen wurden die vier letzten Turniere ausgetragen, deren Ausgang darüber entscheiden sollte, welche zwei Champions am Abend noch einmal vor der Königin in ritterlichem Wettstreit aufeinandertreffen sollten; dem Sieger winkte ein Lorbeerkranz, der ihm von der Königin eigenhändig aufs Haupt gedrückt werden sollte. Zwischen diesen beiden Ereignissen war das Maskenspiel vorgesehen, das von der Königin und Mitgliedern ihres Hofes ausgeführt wurde und Gegenstand froher Erwartung war, stellte es doch den Höhepunkt der Festlichkeiten dar. Lobpreisungen waren in aller Munde; niemand wollte noch Skandalgeschichten hören; die Moral, Ehre und Tugend des Reiches waren gesichert, alle Welt bewunderte Gloriana, und Lord Montfallcons strenge Züge trugen einen Ausdruck, der beinahe liebenswürdig genannt werden konnte.
    Umringt von Hofdamen, Zofen und Kammerjungfern, saß Gloriana in ihrem Ankleideraum und ließ sich schminken und in das prachtvolle, glitzernde Kostüm ihrer Rolle kleiden: Seidendamast und gestärktes Leinen, Samt und Brokat, besetzt mit Hunderten von Juwelen – Saphiren, Amethysten, Türkisen, Rubinen, Perlen und Brillanten. Auf ihrem hochgesteckten Haar ruhte eine hohe Zackenkrone mit einem dünnen Spitzenschleier, um ihr Antlitz geheimnisvoller zu machen. Hinter ihrem Kopf erhob sich ein drahtverstärkter Kragen, der ihr zusammen mit der Krone eine Höhe von beinahe sieben Fuß verlieh, so daß sie jeden Ritter überragen würde. Geschnürt und geknöpft, beschwert mit Metall und kostbaren Steinen, verschönert mit Rouge und Tusche, starrte sie ihr Ebenbild im Spiegel an und sehnte sich insgeheim nach Una, die mit ihr lachen und einen Scherz aus dem machen würde, was sie tat, dabei aber niemals zynisch wurde, sondern immer Mitgefühl für ihre persönlichen Empfindungen und die Anforderungen ihrer öffentlichen Pflichten zeigte. Ihre einsamen, kummervollen Augen starrten sie aus dem bemalten Gesicht an und wurden allmählich hart. Sie war bereit.
    Geleitet von Leibwächtern und ihren Damen, bestieg sie Meister Tolchardes Wagen, der sie zu der Insel tragen sollte, wo Meister Wheldrake bereits die Geschichte des Maskenspiels vortrug.

    »Als große Zauberin weithin bekannt, Urganda kommt aus nie geseh’nem Land, In der Feuerkugel, der Meereskarosse, Wie jedes Jahr zu unsrem Schlosse, Wo zwölf bewährte Paladine, Gewartet lang, daß sie erschiene, Ihre Gunst zu erringen in tapferem Streite.«

    Meister

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