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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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er fort, begierig, aus diesem Verhör entlassen zu sein.
    »Und Ihr verspürt kein Verlangen, Euch ihnen anzuschließen, Sir?« fragte Montfallcon. Er wußte nichts von Sir Amadis’ Verliebtheit, daher war seine Frage, wenigstens in dieser Hinsicht, unschuldig.
    »Ich diene der Königin, Milord.«
    Lord Montfallcon grunzte. »Wie wir alle es tun, Sir Amadis. Am Nachmittag findet eine Sitzung des Staatsrates statt. Verschiebt alle anderen Geschäfte, so Ihr welche habt, auf später.« Das ernüchterte Sir Amadis. »Welches ist der Anlaß, Milord?«
    Lord Montfallcon war nicht geneigt, solche Dinge in Anwesenheit von Personen zu diskutieren, die nicht dem Staatsrat angehörten. Er blickte nach rechts und links und über die Schulter, um seinem Ratskollegen deutlichzumachen, daß er sich vergessen hatte.
    Sir Amadis sah Quire aus dem Labyrinth hervorkommen und begrüßte ihn wie einen Retter. »Da ist Kapitän Quire …!« Die Miene der Königin hellte sich auf.
    Montfallcon bemerkte wohl den Wandel in ihren Zügen, das plötzliche Aufleben von Interesse, und eine Röte stieg ihm in die Wangen, welche an den unnatürlichen Farbton jener Mohnblumen gemahnte, die von Alchimisten mit Blut und seltenen Erden genährt werden, um vor dem Verwelken für einige Stunden einen berauschenden und intensiven Duft zu verströmen. »Nehmt Euch in acht, Majestät«, murmelte er, ehe er seine Beherrschung wiederfand. Sie ignorierte ihn.
    Montfallcon hielt nach Kansas und Hawes Ausschau, aber sie waren noch nicht aus dem Labyrinth hervorgekommen. Heute abend, dachte er bei sich, wollte er mit Lord Kansas in das System der geheimen Gänge und Fluchtwege eindringen, wie sie übereingekommen waren, um dort Beweise zu finden, die er brauchte, um Quire überführen und in Ungnade bringen zu können.
    Unterdessen hatte er nach Tinkler geschickt. Er sah eine Möglichkeit, wie er Quires früheren Diener gegen den Ränkeschmied einsetzen konnte.
    Kapitän Quire kam heran und nahm seinen Platz an der Seite
    der Königin ein, als hätte er einen Anspruch darauf. Montfallcon wandte sich zu Dr. Dee. »Sind alle Ratsmitglieder über die heutige Sitzung verständigt?«
    »Ich denke schon, Milord«, sagte Dee, ein wenig verdutzt über Montfallcons Höflichkeit. Wie es schien, fand der Lordkanzler heutzutage verborgene Tugenden in alten Feinden. »Meine Damen!« rief die Königin. »Zu meinen Gemächern. Ich muß mich umkleiden.«
    Begleitet von Quire, entfernte sie sich zur Freitreppe, während Zofen und Hofdamen von allen Seiten herbeieilten, um sich ihr anzuschließen. Auch die Höflinge sammelten sich und schauten einander an, wunderten sich vielleicht, wie sehr einige unter ihnen sich in den letzten Wochen verändert hatten. Die Orientalen konfrontierten die nüchternen Trauergäste beinahe wie zwei fremde Armeen, die sich vor dem Kampf zur Schlachtordnung formieren.
    Sir Amadis aber vernahm einen vertrauten Ausruf in den Tiefen des Labyrinths, entschuldigte sich hastig und rannte wie ein Jagdhund auf der Fährte davon, daß sein Federumhang raschelte und das Indianergold auf seiner Haut klapperte.

    In ihrem Schlafgemach angelangt, entließ die Königin ihre Damen, damit sie sich umkleiden und sie mit Quire allein ließen. Sie warf sich auf das Bett und reckte die Glieder und bettete den Kopf in seinen Schoß. Er streichelte sie mit seiner schon vertrauten Zärtlichkeit, und sie seufzte. »Ach, Quire, Montfallcon ist entschlossen, unsere Idylle zu zerstören. Er weigert sich zu glauben, daß ich zur rechten Zeit wieder meine vollen Pflichten übernehmen werde.«
    »Was ist so dringlich?« fragt Quire beiläufig, »daß er plötz
lich glaubt, eine Versammlung einberufen zu müssen?«
»Er fürchtet Krieg.«
»Mit Arabien?«
    »Mit aller Welt. Er befürchtet, daß das Imperium sich auflö
    sen werde, wenn die gegenwärtige Entwicklung weiterhin ihren Lauf nimmt. Die Tataren sind bereit, jede Gelegenheit auszunutzen. Seit längerem gibt es Streitigkeiten über den Grenzverlauf mit Cathay. Ferner liegen Meldungen vor, nach denen die Afghanen eine Allianz mit den Tataren anstreben, da sie sich ihnen verwandt fühlen. Unterdessen sind die Perrotts in ihrem Bestreben, den Tod ihres Vaters in Arabien zu rächen, drauf und dran, ein Dutzend Kriege auf verschiedenen Schauplätzen anzuzetteln. Wir müssen an Polen und an den Krieg denken, den es vorbereitet. Die Tataren werden die arabische Grenze überrennen, gibt man ihnen die Gelegenheit, denn sie wissen,

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