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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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gesenktem Kopf durch die Korridore, als habe er gegen einen Sturmwind anzukämpfen. Als Lady Lyst, die schöne junge Hofdame, welche sich neben hoher Gelehrsamkeit durch eine unüberwindliche Vorliebe für den Alkohol auszeichnete, an einer Ecke mit ihm zusammenprallte und mit einem erschrockenen Schluckauf gegen ihn fiel, erkannte er sie nicht und wollte sie aus dem Weg stoßen. »Guten Morgen, Dr. Dee!« »Zur Seite, schönes Kind, zur Seite!«
    Aber sie klammerte sich an sein Wams, und endlich sah er ihr Gesicht. »Einen Rat, weiser Mann, ich bitte Euch!« »Rat?«
    »In einer philosophischen Angelegenheit.« Muntere braune Augen, nur wenig umflort, blickten zu ihm auf. Eine warme Hand schlang sich um seine Mitte, als sie sich auf ihn stützte. »Ah!« Ein reizenderer Ersatz ließ sich kaum denken. Er lächelte onkelhaft, nahm sie bei den Schultern und drückte sie an sich. »Zu meinen Gemächern! Kommt schnell, Lady Lyst, und ich schwöre, ich werde Euch mit meiner Philosophie erfüllen.« Liebenswürdig half er ihr die Stufen hinauf und weiter zum Ostflügel und seinem Turm, wo er, ein Traditionalist in allen Dingen, seine Laboratorien und Arbeitszimmer unterhielt.

    DAS FÜNFTE KAPITEL

    Kapitän Quire wird insgeheim in den Palast und vor Lord Montfallcon
gebracht, um Instruktionen für eine verwegene Unternehmung zu emp
fangen

    Lord Bramandil Rhoone, Hauptmann der königlichen Leibwache, jovial und von ungeheurer Körpergröße, übernahm Quire (unter einer Kapuze wie ein streitsüchtiger Jagdfalke) von Sir Christophers Männern und begann den kleinlauten Gefangenen, dessen (geliehenen) Kleidern ein mehr als angemessener Anteil vom Marshalsea-Gefängnis in Gestalt von Staub, fauligem Stroh und Kot anhaftete, abzuklopfen und zu bürsten. »So kannst du nicht zur Audienz beim großmächtigen Lordkanzler erscheinen, Schurke. Der Himmel allein weiß, warum die Identität eines solchen wie dir geschützt werden sollte.« Das bärbeißige, rote Gesicht erstrahlte hoch oben über der Halskrause, die großen, derben Hände zupften Quires Kragen zurecht, während Quire sich gelobte, daß er, sollte der Mann jemals bei Lord Montfallcon in Ungnade fallen oder sich etwa in die Diebsgassen der Stadt verirren, sich genau achtundvierzig Stunden Zeit lassen würde, Lord Rhoone umzubringen, um ihm dann in der sechzigsten Minute der achtundvierzigsten Stunde Gnade zu gewähren. Dieweil er solch düstere Gedanken in sich wälzte, lächelte er unter seiner Kapuze hervor, geschüttelt und gestoßen von den riesigen Händen des Gardeoffiziers, war nahe daran, einen Knicks zu machen, und murmelte immer wieder: »Danke, Sir. Sehr verbunden, Milord.« Und litt, als Rhoone ihm seinen guten Degen aus der Scheide zog. »Die Waffe muß einbehalten werden. Bei Hofe dürfen nur die adeligen Herren und die Männer der königlichen Leibwache Degen führen.« Er klopfte an seinen eigenen. »Komm!« Mächtig ausschreitend, eine Hand um Quires Oberarm, so daß der durch seine Kapuze halb blinde Kapitän gezwungen war, neben ihm herzulaufen, wiewohl er bereits von den Püffen und Tritten der Kerkermeister und dem harten Lager des Gefängnisses, darin er die Nacht schlaflos zugebracht, am ganzen Körper Schmerzen litt und sich wie gerädert fühlte.
    »Ein wenig langsamer, ich bitte Euch, Milord. Mein Befinden ist nicht das beste.«
    »Lord Montfallcon wünscht dich auf der Stelle zu sehen. Vielleicht möchte er dich wegen des ermordeten Sarazenen eingehender verhören. Du darfst von Glück sagen, daß der Lordkanzler sich für dich einsetzte und sagte, du wärst in der fraglichen Nacht in seinem Auftrag in Notting Village gewesen, und der Mann, in welchem man dich sah, sei ein ähnlich gekleideter Halunke gewesen …« Lord Rhoone ließ seinen Blick über die geflickten Kleider des Gefangenen schweifen und genoß die Wiederholung der Geschichte, in der er ein allzu durchsichtiges Lügengespinst zu sehen glaubte. »Wie auch immer, ich habe keine Vorliebe für Sarazenen. Oder für Mörder«, fügte er gottesfürchtig hinzu, »von welcher Art ihre Gründe auch sein mögen. Die Königin hat ihre Ansichten deutlich gemacht.«
    »Ich bin völlig einer Meinung mit Euch, Milord«, keuchte Quire und griff an seine Seite. »Ich habe Seitenstechen.« »Wir sind gleich da, Mann«, versetzte Lord Rhoone geringschätzig. »Wer hätte gedacht, daß ihr Schurken so empfindlich seid.« Sie erreichten eine große Halle, den Dritten Audienzsaal, geräumig genug,

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