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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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hereinzublicken.
    Glorianas Spitzenhandschuh winkte, Lord Rhoone rief einen lauten Befehl, und der Schlitten samt seiner Eskorte bewegte sich mit zischenden Kufen und gedämpften Hufschlägen zum Tor hinaus und durch die Allee nach Westminster und dem Fluß.
    »Gute Nachricht«, erzählte Gloriana ihrer Gefährtin. »Der
König von Polen ist gerettet.«
»Ist er wohlauf?«
    »Ein wenig erfroren, wie ich hörte, aber nicht verletzt. Montfallcon sagte es mir heute nachmittag. Er wurde heute morgen in einer Mühle gefunden. Die Strandräuber, die ihn überwältigt hatten, waren in Streit geraten, hatten dabei einen der ihrigen grausam ermordet und dann das Weite gesucht, den König in seinen Fesseln zurücklassend. Vielleicht wollten sie zurückkehren, aber Montfallcons Männer fanden den König vorher und brachten ihn glücklich nach London. So ist alles noch gut ausgegangen, und wir werden nicht länger von Graf Korzeniowskis Besorgnissen um seinen Herrn geplagt werden.« »Wann werdet Ihr diesen unglücklichen Monarchen empfangen?«
    »Heute abend, in einer Stunde oder so. Wenn ich alle Gäste empfange.«
    »Aber der Großkalif – dies verlangt nach kluger Diplomatie.«
    Gloriana zog die Vorhänge zurück, um die Lichter der Stadt zu betrachten. »Montfallcon hat das Problem gelöst. Beide werden zusammen empfangen, der König von Polen aber als erster angekündigt, da er über die größere Zahl von Titeln gebietet.«
    »Ich dachte, beide hofften Euer Majestät mehr entbieten zu dürfen als eine förmliche Ehrenbezeigung. Sind sie nicht an Euren Hof gekommen, um Euch – den Hof zu machen?« »Der König von Polen soll geschworen haben, er werde keine andere als mich heiraten. Und des Großkalifen Bekundungen sind nur ein geringes weniger überschwenglich, was in Ansehung seines Berüchtigtseins als eine ebenso starke Leidenschaft gelten muß.«
    Gloriana lachte ironisch. »Welchen würdest du vorziehen, liebste Una?«
    »Polen als Gefährten, Arabien zum Vergnügen«, sagte Una ohne zu zögern.
    »Arabien würde deine Figur mehr bewundern, meine ich. Sie ist jungenhaft genug für seinen Geschmack.«
    »Dann will ich hoffen, daß er mich als Ersatz annehmen und zur Königin von Arabien machen wird. Aber ich argwöhne, daß seine Leidenschaft von politischer Erwägung angefacht wurde und daß Ynys Scaith ihm als eine allzu armselige Mitgift erscheinen möchte.«
    Der Gedanke gefiel Gloriana. »Wie wahr! Er wünscht Albion und das ganze Reich, nicht weniger. Vielleicht kann er beides haben, wenn er mir gibt, was ich nicht haben kann.« Der Schlitten schwankte ein wenig, als er durch eine Kurve glitt, und Gloriana sang leise den Refrain eines beliebten Liedes:

    O könnt ich sein, was ich nicht bin, Dann könnt ich haben, was nicht mein, Und spreizen mich als Kaiserin …

    Und Una, als sie diese fröhliche Klage hörte, wurde unversehens still und gab Gloriana Anlaß, ihren Fehler zu bedauern und ihre Freundin zu küssen. »Meister Gallimari verspricht uns einen Abend voller Kurzweil und prachtvoller Unterhaltung.« Die Gräfin von Scaith ermunterte sich. »Richtig – Unterhaltung! Die beste Medizin für enttäuschte Freier. Sind alle ausländischen Gesandten eingeladen?«
    »Gewiß. Und Londons Stadtväter. Und alle Mitglieder des hohen und niederen Adels in Stadt und Land, die in diesen winterlichen Verhältnissen die Fahrt nicht scheuen. Und alle Höflinge, bei Mithras!« Sie schlug in gespieltem Entsetzen die Hand vor den Mund.
    »Wird das Eis sie alle tragen, Una? Oder sollen wir heute abend alle in ein naßkaltes Verhängnis tanzen? Soll die Sicherheit der halben Welt in Gestalt von vielen kleinen Eisbergen im Morgengrauen mit dem Ebbstrom auf die See hinaustreiben?« Una schüttelte den Kopf. »Wenn ich meinen Lord Montfallcon kenne, hat er Sorge getragen, daß das Eis von einem Ufer zum anderen von Brückenträgern gestützt wird. Ja, ich argwöhne, daß er das Eis hat durch Obsidian ersetzen und bleichen lassen, so sehr befürchtet er, daß Euch etwas zustoßen möchte.«
    »Darin gleicht er der Tigerin, die ihr Junges beschützt«, pflichtete die Königin ihr bei. Sie hob die Hand und zeigte zum Fenster hinaus. »Aber sieh nur! Das Eis ist echt!«
    Sie waren auf einer Anhöhe, von der man die Schleife der breiten Themse überblicken konnte, die in Frost und Schnee glitzerte, majestätisch, glänzend schwarz zwischen dem tieferen Schwarz der Gebäude an beiden Ufern, wie ein mit gelben Laternen behangener

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