Gloriana
ihr Reifrock sich vor den Füßen hob und eine scharfe, eisige Brise einließ.
Auf dem Eis war eine Plattform errichtet, auf der die Musikanten saßen und ihre Instrumente stimmten, so gut sie es bei der Witterung konnten. Die Markisen und Teppiche jenseits des Pavillons der Königin waren, dem Kontrast zuliebe, in Grün und Gold gehalten, und die Musiker steckten in dunkelgrüner Wolle; in mehreren Schichten, nach ihrer Unförmigkeit zu urteilen. Die Trompeten bliesen eine weitere Fanfare vom Ufer und behinderten das Stimmen der Instrumente weiter, und die Königin blickte fragend zu Una, die sich zögernd erhob, als die Höflinge sich vor dem Thron zu versammeln begannen. Eine Gestalt in elfenbeinfarbener Seide bahnte sich ihren Weg nach vorn, zog eine Hermelinmütze und fiel auf die Knie nieder. Es war Marcilius Gallimari, der Leiter der Hoflustbarkeiten. »Euer Majestät.« »Ist alles bereit, Meister Gallimari?«
»Alles, Euer Majestät! Alle sind bereit!« Er sprach ernst und ehrerbietig, aber mit inbrünstiger Begeisterung. »Dann werden wir beginnen, Gräfin.«
Una hüstelte in die vorgehaltene Hand. Meister Gallimari trat in die Schatten der Markise zurück, um durch das Spalier der Leibwache davonzueilen. Als er draußen war, rief Una: »Die Königin beschenkt in ihrer Großmut die Witwen und Waisen der Jahreszeit. Laßt sie vortreten und empfangen, was ihnen zukommt.«
Die Höflinge traten zurück und machten eine breite Gasse frei, während ein Lakai an den Thron herantrat und Una ein Kissen überreichte, auf dem einige zwanzig ziegenlederne Geldbeutel ruhten. Sie nahm davon einen und legte ihn der Königin in die Hand, als die erste Frau aus dem Volke, eine dickliche Matrone, nervös und mit niedergeschlagenem Blick näher trat, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen, um einen Knicks zu machen. »Euer Majestät, die Bewohner von Southcheap entbieten Euer Majestät ihre treue Verehrung und hoffen, daß die Heimsuchung niemals über sie kommen möge.«
»Wir danken Ihr und den Bewohnern von Southcheap. Ihr Name?«
»Mrs. Starling, Euer Majestät, Witwe von Starling, dem Wachszieher.«
»Geh Sie weise mit diesem Geld um, Mrs. Starling, und tue Sie Ihre Pflicht. Wir bedauern Ihren Kummer.«
»Ich danke Euer Majestät.« Eine zitternde Hand nahm den Geldbeutel entgegen.
Dann kamen zwei dunkelhäutige Kinder, ein Junge und ein Mädchen, die einander bei den Händen hielten.
»Eure Eltern sind tot? Wie das?« Gloriana ließ sich von Una einen zweiten Beutel geben.
»Ertrunken im Fluß, Euer Majestät«, sagte der Junge, »als sie bei Wapping Stairs mit ihrer Fähre übersetzen wollten.« »Wir bedauern euren Kummer.« Die Worte waren Formeln, aber das Mitgefühl nicht. Gloriana nahm einen weiteren Beutel vom Kissen, damit jedes der Kinder einen bekäme.
Als die Zeremonie andauerte, blickte Una über die Köpfe hinaus zum südlichen Ufer, dem Zwilling des nördlichen, mit seinen Säulen und Fackeln und Steinbalustraden. Wo die Uferbefestigungen zur Rechten der Flußbiegung folgten, konnte sie eine Reihe von Wasserspeiern entlang den Kaimauern sehen, schwere eiserne Mooringsringe in ihren grinsenden Mäulern; hinter den Kaimauern und darüber erhoben sich die dunklen Kulissen der Baumwipfel, die ihre kahlen Äste reckten, und dann, ein wenig weiter noch, war das Wassertor von Westminster zu sehen, dessen schweres Gitter mit eisernen Teufeln geschmückt war.
Nach der Verteilung der Geschenke trat Lord Montfallcon in den Pavillon, nahm neben dem Thron Aufstellung und flüsterte der Königin zu, während Fanfaren die zwei Ehrengäste ankündigten und der Großhofmeister ihre Namen ausrief. Gleich darauf kamen sie Schulter an Schulter herein, in prachtvollen zeremoniellen Kleidern, blitzend von Diamanten, Aquamarinen, Türkisen, Saphiren und anderen Edelsteinen:
»Seine königliche Hoheit, König Kasimir XIV. gewählter Herrscher Großpolens. Seine königliche Hoheit, der Großkalif Hassan al Ghafar, Herrscher über ganz Arabien.«
Zwei gekrönte Häupter neigten sich vor dem dritten. Die Krone Kasimirs XIV. war aus Weißgold, mit gotischen Spitzen und mit hellen Smaragden besetzt, während Hassan al Ghafar einen Turban trug, auf dem eine maurische Krone aus abstrakten Blumenornamenten in Silber und Perlmutt saß. Ihre Zeremoniengewänder waren, da sie als Gäste in einem fremden Land weilten, gemäß der Tradition ohne aufwendigen Luxus, aber aus den feinsten Geweben gefertigt.
Sie bedienten sich
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