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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Wald. Während sie hinunterschauten, erschienen mehr und mehr Lichter, und langsam wandelte die Szene sich zu lichtem Grau und Weiß und rauchigem Bernstein, und der Fluß wurde zu milchigem Glas, in welchem kleine bewegte Gestalten sichtbar wurden, scheinbare Widerspiegelungen von einer unsichtbaren Quelle, und dann führte die Straße so steil abwärts, daß es nicht mehr möglich war, etwas anderes als die verschneiten Anhöhen zu sehen und voraus die zwei zinnengekrönten Türme des Bull’s Gate, Londons Nordtor, wo der königliche Schlitten begrüßt und die Königin willkommen geheißen und zwischen Lord Rhoone für die Königin und dem durchglühten, halb beschwipsten Bürgermeister zeremonielle Höflichkeiten ausgetauscht werden mußten.
    Anschließend fuhr der Schlitten weiter, schwankend jetzt und mit gelegentlichen Stößen, denn auf den gepflasterten Straßen lag der Schnee nicht so dick, zwischen Reihen von winkenden, fackelntragenden, mützenschwenkenden jubelnden Bürgern, denen die Königin zulächelte und die sie mit winkenden Händen grüßte, bis man sich den Toren der kleinen Stadt Westminster näherte und diese geöffnet und hinter dem Zug wieder geschlossen wurden, so daß der Schlitten kurze Zeit in vergleichsweiser Stille auf breiter Straße dahinglitt, vorüber an den großen Schulen und den Tempeln der Kontemplation, den Ministerien und den Kasernen bis zur breiten Uferböschung über den Kais, wo in günstigeren Jahreszeiten die Schiffe ausländischer Gesandtschaften und Herrscher anzulegen pflegten. In diesen Uferanlagen und auf den Kais hatte man bereits Markisen aufgespannt, und Una sah Kutschen und Schlitten davonfahren, die ihre illustren Frachten abgeliefert hatten. Pagen und Lakaien eilten hierhin und dorthin, Pferdeknechte standen bereit, und unter den hohen griechischen Säulen, welche die Stufen hinab zum Kai flankierten, stand ein Korps von Trompetern. Die Stufen waren mit Markisen überdeckt und mit Teppichen belegt. Zu beiden Seiten brannten Kohlenpfannen wie Warnfeuer, um Licht und Wärme zu verbreiten, und über ihnen wehten Reihen von Bannern in einer Pracht vielfarbiger Seide, belebt vom Widerschein der Flammen und dem Schnee ringsum. Und über diesen Bannern wölbte sich ein tiefschwarzer Himmel, in welchem kein Stern funkelte. Er war wie eine große künstliche Kuppel, welche die Stadt zur Gänze überwölbte: eine Kuppel, durch die vereinzelte Schneeflocken niedersanken, um liegen zu bleiben, wo sie konnten, oder zischend in den Feuern zu sterben.
    Gloriana klatschte in die Hände und stieß Una in die Seite, bevor sie sich ihrer eigenen Majestät entsann und das erhabene, schöne Symbol wurde, das der Anlaß verlangte.
    Lord Rhoone öffnete den Schlag. Die Königin stieg aus, gefolgt von Una.
    Sie schritten unter den Säulen vorüber, während eine schmetternde Fanfare die Ankunft der Königin verkündete; die Stufen hinunter zum Kai, wo zwei gewaltige Fackeln brannten, gehalten von Lakaien, die von Kopf bis Fuß in den Fellen von Eisbären steckten. Jenseits von ihnen neigten die geladenen Gäste den Kopf. Auch sie in Weiß und Blau und Silber, die Gesichter gepudert, gemahnten die Höflinge, überspielt von den Schatten der Fackeln, an eine geisterhafte Versammlung, als hätten die Toten sich aus ihren Gräbern erhoben, um Albions Herrscherin in dieser Festnacht aufzuwarten.
    Die Markisen erstreckten sich über den Kai und zu hölzernen Treppen, die sie mit gemessener Würde zu einem Läufer hinabstiegen, der über das Eis gelegt war, wo ein weiterer gedeckter Weg zu ihrem Pavillon führte, einem großen Rundzelt aus sich bauschender silbriger Seide, in welchem ein Thron aus feinem Silberfiligran und ein weißgepolsterter Stuhl für die Schneekönigin und ihre Erste Dienerin bereitstanden. Die dem Ufer zugewandte Seite dieses Pavillons war offen, und während Una wartete, daß Gloriana sich setze, sah sie eine brüllende Prozession widerstrebender Ochsen zum Kai herabziehen; sie hörte die trompetenden Schreie von Gänsen, die das Schicksal der Ochsen teilen würden, sah die aufgestapelten Scheite der Feuer, über denen diese Geschöpfe gebraten werden sollten, daß ihre Säfte spritzten und zischten, ihre Häute über dem schwellenden, schmackhaften Fleisch goldbraun und knusprig würden, Hitze und verlockende Düfte verbreitend. Una befeuchtete ihre Lippen, und da sie sah, daß die Königin sich niedergelassen hatte, setzte auch sie sich mit einem Frösteln, als

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