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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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In der Tat, es gibt jemanden …« – er sah sich um, durch das Gewirr der Röhren –, »da ist er – den Ihr kennenlernen müßt, falls er Euch nicht schon bekannt ist.« Dr. Dee errötete und fuhr sich mit dem Zeigefinger zwischen Kragen und Hals. Er räusperte sich. »Euer Majestät!«
    Aus der Dunkelheit meldete sich eine mit starkem Akzent behaftete Stimme: »Hier, Dee!«
    »König Rudolf, wir sind bei der Kugel versammelt.«
    Es war der junge, den Wissenschaften zugetane König von Böhmen, der bei der Werkbank in Sicht kam, wo er in die Retorten spähte, die Hände auf dem Rücken, bekleidet mit einem grünen Wams, passenden Kniehosen und der Spitzkappe eines Jägers. »Was gibt es?«
    »Ich möchte Euch mit Lady Lyst bekanntmachen.«
    König Rudolf kam lächelnd näher. »Wir sind alte Freunde. Vor einigen Jahren korrespondierten wir miteinander, als Lady Lysts erste Abhandlung in Prag veröffentlicht wurde. Und wir haben einmal oder zweimal miteinander gesprochen, seit ich hier am Hofe bin. Ich fühle mich sehr geschmeichelt, in solcher Gesellschaft zu sein. Auch wir kennen uns, so glaube ich, Meister Wheldrake. Ich bewunderte Eure Gedichte, wenn ich auch in letzter Zeit wenig gesehen …«
    »Ich bin tot!« verkündete der kleinwüchsige Poet. »Darum. Seit langem schon bin ich tot.«
    »Dann seid Ihr zu Dr. Dee gekommen, um Wiederauferstehung zu erlangen?«
    Dr. Dee lächelte. »Mein Ruf ist eine Last, Majestät. Viele kommen mit gerade dieser Bitte zu mir – um ihrer Angehörigen und Verwandten willen, natürlich. Aber wenn Ihr recht habt, dann ist Meister Wheldrake der erste, der damit in eigener Sache an mich herantritt.«
    »Vielleicht solltet Ihr Meister Wheldrake einladen, den Hof zu Prag mit seiner Anwesenheit zu zieren«, schlug Lady Lyst vor. »Er behauptet, wir seien Philister. Und es ist wohlbekannt, daß die Elfbergs große Künstler und Wissenschaftler sind.« Dr. Dee schlug den König auf den Rücken. »Und dies ist der feinste Elfberg von allen. Soldat, Dichter, Wissenschaftler!« »Und ein schrecklicher Dilettant, fürchte ich.« Der böhmische König war bezaubernd. (Er hatte drei ausgezeichnete Gedichtbände, zwei wissenschaftliche Abhandlungen und ein Werk über Naturgeschichte veröffentlicht und hatte fünf Jahre zuvor den erfolgreichen mazedonischen Feldzug gegen das Tatarenreich geführt.) Wheldrake verabscheute ihn von Herzen und tröstete sich gelegentlich mit einem verdrießlichen Reim. (Wie leutselig doch dieser König ist/Der glaubet, daß er alles wüßt/Mag der, so aus der Hand ihm frißt/Getrost sein Loblied singen.)
    »Nicht als Wissenschaftler«, sagte er vernehmlich.
    Lady Lyst blickte im Laboratorium umher. »Vielleicht soll
ten wir dem König Gastfreundschaft bieten, Meister Tolchar
de.«
»Eh?«
    »Ein Glas Wein, vielleicht?« sagte Lady Lyst. »Habt Ihr welchen?« Sie nahm eine große Phiole von der Werkbank und fügte hinzu: »Oder etwas anderes? Dies hier?«
    »Das ist der Urin einer trächtigen Kröte«, sagte Meister Tolcharde. »Ich glaube nicht, daß er alkoholisch ist.«
    »Urin nicht, nein«, meinte Dr. Dee als Kenner der Materie. »Es gibt wenige Arten von Urin, die …«
    Lady Lyst hatte sich von der Werkbank weggewandt und spähte in einen dunklen Alkoven. »Was sind diese?«
    »Es sind einige meiner mechanischen Komödianten. Ich beabsichtige die Anfertigung einer ganzen Serie, um sie sodann der Königin zu verehren.«
    Die Metallgestalten in Lebensgröße baumelten wie Leichen an einem galgenartigen Kranbalken und ließen ein leises Geklapper hören, als sie eine von ihnen anrührte: Colombine, Pierrot, der Dumme August, Scaramouche – gekleidet in die neuesten Kostüme, hingen da die Gestalten der modischen Comédie Parisienne aus blitzendem Messing, Silber und glänzender Emaille.
    »Wunderbar«, murmelte Lady Lyst. Sie bückte sich und hob einen staubigen Glaskolben vom Boden auf. »Wie erweckt Ihr sie zum Leben?«
    »Mit Zahnrädern und Federn, Lady Lyst, nach meinem eigenen Entwurf.« Er tätschelte ein baumelndes Bein, das unter seiner Berührung zu zucken schien. Dann langte er hinauf, um die kunstvolle Gliederpuppe herumzudrehen; sie starrte mit einem Ausdruck von Würde über seinen Kopf hinweg ins Leere. »Es sind noch Übertragungsstangen einzusetzen und eine Hauptfeder … andernfalls würde ich Euch vorführen, wie
    der Mechanismus funktioniert.«
    Der Thane von Hermiston hatte König Rudolf den Arm um die Schultern gelegt und wies ihn

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