Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
Fenster in der Decke, das wäßriges Morgenlicht einließ, zu hohen Türflügeln, die im Gegensatz zu den Säulen, Gesimsen und dem Stuck der Galerie aus barbarisch anmutenden, altertümlichen Eichenplanken mit schmiedeeisernen Beschlägen bestanden.
    Gegen diese schlug der Thane von Hermiston mit der Faust, daß sie in Schloß und Angeln ratterten und beinahe augenblicklich von einem bebrillten, zwinkernden Jüngling in Lederschürze und Hemdsärmeln geöffnet wurden, einem von Meister Tolchardes zahlreichen Lehrlingen, dessen unfreundliche Miene sich aufklärte, als er den Thane erkannte. »Guten Morgen, Sir.«
    »Auch dir einen guten Morgen, Colvin. Ist dein Meister an der Arbeit, oder können wir eintreten?«
    »Ich denke, er erwartet Euch, Sir.« Colvin trat zur Seite und ließ sie in staubiges Halbdunkel ein, um die Tür sorgfältig hinter ihnen zu schließen und abzusperren. Dünner Rauch zog in das Vorzimmer, beinahe als habe ihn Neugierde herbeigelockt. Vergilbte astrologische Tabellen schälten sich von den Wänden, während unter ihnen staubige Kisten, Schachteln und Bücher gestapelt waren. Der beißende Geruch war hier intensiver, und Wheldrake begann zu husten und suchte in seinem schwarzen Samtkleid mit der ungestärkt herabhängenden Halskrause umständlich nach seinem Schnupftuch, das er sodann zum Munde führte, in Sorge, er möchte ersticken, und nachdem sie mehrere solcher Räume durchwandert hatten, kamen sie endlich in ein hohes Gewölbe, das dergestalt mit Kupferrohren angefüllt war, daß man glauben mochte, man befinde sich in den Eingeweiden eines ausgestorbenen Leviathans. Durch dieses Rohrdickicht konnten sie eine Werkbank mit brodelnden, rauchenden Retorten und einen kleinen Mann mit scharfgeschnittenen Zügen und einem starren, unnatürlichen Grinsen sehen, der die Retorten beobachtete und nicht ein Wort sagte. Meister Tolcharde kam hinter einer riesigen Kupferkugel zum Vorschein, an der er gehämmert hatte. »Mit dieser Maschine, Hermiston, will ich Euch durch die Zeit senden!« »Nicht heute, hoffe ich, Meister Tolcharde.«
    »Nicht für Monate. Es gibt noch vieles zu tun, sowohl theoretisch wie mechanisch. Dr. Dee hilft mir bei der Arbeit. Er ist nicht mit Euch gekommen?« Meister Tolchardes von Natur aus freundlich blickenden, aber im Fanatismus seiner technischen Visionen leuchtenden Augen spähten suchend umher. Er zeigte seine schadhaften Zähne in einem fragenden Lächeln, wischte sich den kahlen Schädel, auf dem sich Schweißtropfen sammelten.
    Der Thane schüttelte den Kopf. »Aber wer ist das?« Und er wies mit dem Daumen zu dem kleinen Mann auf der anderen Seite der Werkbank.
    »Ein Reisender. Er kam unlängst mittels einer leuchtenden Pyramide, die sich auflöste und ihn stranden ließ.«
    Meister Wheldrake wandte sich ab und betrachtete seine eigenen Gesichtszüge im schimmernden Kupfer der Kugel. »Also gibt es einen Austausch zwischen den Welten?« »Freilich«, antwortete Meister Tolcharde unschuldig. »Der Thane bringt viele zurück – aber viele werden auch genommen. Und manche kommen und gehen ohne die Hilfe des Thane oder meiner selbst. Wenn Ihr einige der Geschöpfe sehen könntet …« Meister Wheldrake hob eine Hand. »An einem anderen Tag, Sir. Ich möchte Euch nicht wertvolle Zeit stehlen.«
    »Aber ich bin stets bereit, jene zu unterweisen, deren Suche nach Wahrheit aufrichtig ist.«
    »Unterweist mich später, Meister Tolcharde. Ihr wolltet uns von Eurem Besucher erzählen.«
    »Sein Name ist Calhoun, und er behauptet von White Hall zu sein – ein Baron sogar. Er versteht viel von meiner wissenschaftlichen Philosophie, aber wenig von allem anderen. Immerhin ist er mitfühlend genug und teilt meine Neigungen. Aber leider verrückt, versteht Ihr? Aha! Da kommt Dr. Dee.« Ganz in Braun gekleidet, mit einem weißen Spitzenkragen und Spitzenmanschetten, schritt der große Weise herein und begrüßte alle mit gleicher Herzlichkeit, bis sein Blick auf Lady Lyst fiel und Verlegenheit über ihn kam. »Sehr erfreut … Ich bedaure, daß ich …«
    Lady Lyst zog die Brauen zusammen. Sie wußte keine Erklärung für dieses Verhalten. »Ihr wolltet mir etwas sagen, Dr. Dee?« »Oh, Milady, ich bitte Euch …« Er wand sich. »Ich bitte Euch!« Lady Lysts große Augen wurden noch runder. »Ich bin ratlos, Sir, aber wenn meine Gegenwart Euch unwillkommen ist, bin ich gern bereit zu gehen.«
    »Nein, nein. Es ist eine Ehre, einen so berühmten Verstand unter uns zu wissen.

Weitere Kostenlose Bücher