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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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stampfte mit dem Elfenbeinfuß auf die Marmorplatten. »Es ist kaum ein Monat her, daß ich von Westindien kam. Nein, ich werde heute zu einer Handelsfahrt nach Cathay auslaufen und Wegezoll von allen iberischen Schiffen nehmen, die ich in den Gewässern, die wir schützen, finden kann. Ich komme gerade von der Königin und habe meine Dokumente.« Er hob ein versiegeltes Bündel in die Höhe. »Nun verabschiede ich mich von meinen alten Freunden. Die Tristan und Isolde erwartet mich in Charing Cross, und der Fluß ist hinlänglich eisfrei, um die Reise zur See zu gestatten. Also gehe ich, solange ich kann. Ein Monat an Land ist zuviel für mich. Ich werde die Augen offenhalten und an Euch denken, Dr. Dee, wenn ich Dinge von der Art sehe, die Ihr sucht.« »Ich bin Ihnen stets verbunden, Sir Thomasin.« Mit einem Kopfnicken zu Ingleborough und Montfallcon eilte er weiter. »Eine gute Reise, Sir. Lebt wohl! Oh! Entschuldige, mein Junge!« Er war mit Patch, dem Pagen, zusammengeprallt. »Du bist es. Guter Junge. Lebt wohl, Admiral!«
    Patch verbeugte sich und eilte zu seinem Herrn. Inglebo
    rough lächelte zärtlich auf ihn herab. »Hast du dir weh getan, Patch? Welch ein Tölpel!«
    »In allen Dingen«, pflichtete Lord Montfallcon ihm bei und sandte dem braunen Umhang einen finsteren Blick nach, als er um eine Ecke verschwand, »Arglist ausgenommen. Es schmerzt mich, daß er so viel Einfluß auf die Königin hat.« »Aber nicht in wichtigen Dingen«, sagte Tom Ffynne. »Und außerdem hat meine Navigation sich durch seine Kenntnisse beträchtlich verbessert. Er ist ganz und gar kein Dummkopf. Er hat viel für die Seefahrt getan, Perian.«
    Montfallcon ignorierte dieses unwillkommene Lob. Er ver
    schränkte die Arme vor der breiten alten Brust und blickte auf seinen Freund herab. »Ihr müßt sorgfältig bedacht sein, der Piraterie zu entsagen, Tom. Insbesondere im Mittelmeer, wo es eine Menge Zeugen gibt. Und keine arabischen Schiffe. Auch keine polnischen, und diesmal auch keine, die die Flagge der Tatarei führen, versteht sich.«
    »Damit bleiben Iberia, die Niederlande, ein paar Unabhängi
    ge …«
    »Jagdbares Wild, sicherlich«, sagte der Großadmiral in ge
    dankenloser Unterstützung eines enttäuschten Ffynne. Abwesend strich er mit knorriger Hand dem Pagen über den Kopf. »Wie?«
    »Ihr kennt die Regeln, Tom. Tut nichts, was die Königin in Verlegenheit bringen oder Albion zur Schande gereichen könnte. Und tut nichts, was meine Diplomatie erschwert.«
    Tom Ffynne ließ ein hohes, belustigtes Glucksen hören. »Mit einem Wort, tue nichts. Mich dünkt, ich werde in der Nordsee bleiben und mich auf den Fischfang verlegen. Falls die Nation der Heringe noch nicht in Eure diplomatischen Beziehungen verstrickt sein sollte, Perian!«
    Montfallcon war unerbittlich. »Ich weiß, Ihr werdet die Ehre der Königin respektieren, Tom.«
    Ingleborough wurde ernst und nickte. »Albion ist ein Bei
    spiel für die Welt.«
    »Ich werde daran denken. Nun …« Er streckte zwei narbige, kräftige kleine Hände aus und ergriff die Arme seiner Freunde. »Laßt Euch von der Luft diese friedlichen Hofes nicht allzu weich einlullen, oder Ihr werdet so gut schlafen, daß Ihr niemals erwachen werdet. Und achtet auf Eure Gesundheit, Lisuarte.«
    Ingleborough legte die Hand an seine blasse Wange. »Ich leide bloß die üblichen Beschwerden des Winters. Wenn Ihr wiederkehrt, Tom, werde ich so gesund und munter wie eh und je sein.«
    Dann machte Sir Thomasin Ffynne auf seinem elfenbeinernen Absatz kehrt und stapfte hinkend davon.
    Montfallcon und Ingleborough setzten ihre Wanderung fort, einem Brauch folgend, der ihnen Bewegung verschaffte, wenn die Witterung Spaziergänge im Freien als nicht ratsam erscheinen ließ, und ihre Schritte entfernten sie allmählich von den bevölkerten, geschäftigen Korridoren des Palastes und führten sie zum Ostflügel, in jene Bereiche, die John Dee kurz zuvor verlassen hatte, wenngleich sie tiefer als er in jene Bereiche eindrangen, durch Korridore mit Kielgewölben und weite Säle voll zerfallendem, vermoderndem Gepränge, stumpfen und staubigen Bannern, Rüstungen, Waffen, Wandteppichen und Vorhängen, in das hallende Halbdunkel jener Kathedrale der Tyrannei, des Thronsaales von König Hern, Glorianas Vater, wo jetzt Ratten und Spinnen die Herrschaft angetreten hatten; wo Schatten huschten, raschelten und verschwanden. Nur ein Lichtstrahl drang in diesen Saal: Er fiel auf einen Mosaikboden, den die

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