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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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auf einige Merkmale einer barocken eisernen Kutsche auf der anderen Seite des Gewölbes hin, während Colvin dem senilen Baron Calhoun freundlich aus seinem Stuhl und in einen Nebenraum half. Dr. Dee gesellte sich zu Lady Lyst und Meister Tolcharde, um eine noch haarlose Colombine zu betrachten, die an ihrem Galgen Pirouetten drehte, als stünde sie auf einer unsichtbaren Oberfläche. »Und wer kann sagen, Meister Tolcharde, wenn Eure Arbeit beendet ist, ob diese Geschöpfe weniger lebendig sind als wir, die wir von Fleisch und Blut sind?« sinnierte Dr. Dee. »Ah, in der Tat«, sagte Meister Tolcharde und fuhr sich verlegen über den schweißglänzenden Schädel.
    Dr. Dee schenkte ihm einen bedeutungsvollen Blick. »Und wie geht Eure andere Arbeit voran, Meister Tolcharde?« »Die Kugel?« »Nein, nein. Die Arbeit, die Ihr für mich tut.«
    »Natürlich!« rief Meister Tolcharde und zeigte seine verfärbten Zähne. »Beinahe fertig, Dr. Dee. Die letzten Stufen müssen jedoch Euch überlassen bleiben.«
    Dr. Dees Miene hellte sich auf. »Das verstehe ich. Also geht es gut?«
    »In aller Bescheidenheit muß ich sagen, daß es wahrscheinlich meine beste Schöpfung ist. Meine Geschicklichkeit und mein Einfallsreichtum scheinen auf ihrem Gipfelpunkt zu sein. Die Inspiration stellt sich wie immer rasch und vielgestaltig ein, doch habe ich zunehmend auch die Mittel, diese Inspiration in disziplinierte, praktische Invention umzusetzen. Der Königin Lob spornt mich dabei an. Sie war sehr erfreut über den kleinen Falken, wie ich hörte, Lady Lyst.«
    »Ich hörte das gleiche. Nur schade, daß Ihr ihm keinen Heimkehrinstinkt gabt. Er flog in Verfolgung eines Regenpfeifers über die Wälder von Norbury davon und kehrte nie zurück.« »Die sind leicht gemacht. Ich werde bald einen weiteren herstellen.« Zufrieden wandte Meister Tolcharde sich wieder seiner Werkbank zu.
    Meister Wheldrake hatte einen in Silber gefaßten Spiegel aus poliertem Quarz gefunden, in welchem er seine vogelartigen Zähne widerspiegelt und verzerrt sah. »Ein magischer Spiegel, Meister Tolcharde?«
    »Aus Westindien«, sagte Dr. Dee und nahm ihn Wheldrake aus der Hand. »Ein Mitbringsel von Sir Thomasin Ffynne. Teil einer iberischen Beute, soweit ich unterrichtet bin, und ursprünglich von den Priestern des Aztekenreiches zur Beschwörung von Göttern oder Dämonen verwendet. Bisher haben wir keinen Erfolg damit gehabt. Es ist in diesen Fällen immer schwierig und bisweilen gefährlich, auf gut Glück Anrufungen und Zaubertränke auszuprobieren. Aber wir arbeiten standhaft weiter, Meister Wheldrake, um der Wissenschaft willen.« Er legte den Spiegel in einen Kasten aus einfachem, poliertem Holz und klemmte sich diesen unter den Arm. »Der König scheint geneigt, eine Weile zu bleiben. Ich werde es dem Thane überlassen, ihn zu begleiten, und mich meinen Verpflichtungen zuwenden. Ich danke Euch, Meister Tolcharde, für Eure guten Nachrichten. Meine Verehrung, Lady Lyst.« Er verneigte sich. »Meister Wheldrake, ich empfehle mich.«
    Als er sich aufrichtete, blähte sich sein brauner Umhang, als sei er im Begriff, in die Luft emporzuschweben, dann eilte er durch das Gewirr der Röhren zum Ausgang.
    Er ließ den alten Teil des Palastes hinter sich und hatte auf seinem langen und verwickelten Rückweg zum modernen Hof die hellere, luftigere Atmosphäre der Langen Galerie erreicht, als er auf zwei seiner Ratskollegen stieß, die im Gespräch mit Sir Thomasin Ffynne beisammenstanden. Der Admiral trug schlichte schwarze Kleider mit weißen Spitzenmanschetten und einer weißen, gestärkten Halskrause und bildete damit einen auffallenden Kontrast zu dem prunkhaften Brokat und Samt, den gerüschten Vorhemden und Amtsketten seiner Gefährten Lord Ingleborough und Lord Montfallcon.
    Montfallcons Verbeugung war steif und mehr angedeutet, aber Ffynne begrüßte Dee mit der manchmal ein wenig herablassenden Jovialität, mit der er anzeigte, daß er Dee für einen harmlosen und angenehmen alten Exzentriker hielt, welcher der Königin in der Art eines Hofnarren diente. »Guten Morgen, Dr. Dee! Was machen die Zauberformeln und die Seekarten?« Er selbst hatte mehr als einmal Gebrauch von Dr. Dees ausgezeichneten geographischen Kenntnissen gemacht und als Gegenleistung Informationen für den Vorrat des Weisen geliefert.
    »Ihr seid von einer weiteren Reise zurückgekehrt, Sir Thomasin?«
    »Euer Zeitgefühl ist nicht Eure größte Stärke, Dee«, lachte Tom Ffynne und

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