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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Rat. Die Gräfin von Scaith muß vom Hof entfernt werden. Wenn möglich, sollte der ganze Staatsrat in dieser oder jener Weise gelähmt werden. Morde müssen geschehen, die den Unschuldigen zur Last gelegt werden. Streitigkeiten, Argwohn, Gegenmaßnahmen … Ihr könnt mir folgen?«
    »Natürlich, aber ich bin nicht sicher, daß es sich machen läßt.«
    »Euch könnte es gelingen. Keinem anderen, Quire.«
    Quire nickte. »Es ist wahr, das Ihr Euch schwertun würdet,
    einen mit meiner Geschicklichkeit und meinen Möglichkeiten zu finden, wenn ich mich weigerte. Da gibt es Meister Van Haag in den Niederlanden, einen oder zwei Florentiner und einen Venezianer, von dem ich gehört habe – aber sie kennen unseren Hof nicht, wie ich ihn kenne. Nun, das ist schwierige Arbeit, die sehr viel Vorbereitung erfordern würde.«
    »Wir haben ein angemessenes Maß von Geduld. Unser Großkalif wünscht als ein Retter nach Albion zu kommen, bereitwillig aufgenommen von der Königin und dem Volk.« Der Sarazene hatte Quire halb mesmerisiert. »Könntet Ihr das bewerkstelligen?« »Ich denke schon.«
    Prinz Sharyar sagte: »Was wir Albion bieten, ist Sicherheit, Reinheit, Moral. Wir werden als Hüter dieser Tugenden seit jeher gepriesen. Ihr müßt ein Klima schaffen, in welchem das Volk Albions nach diesen Tugenden ruft. Wir sollten als Erlöser kommen, um Königin und Reich zu retten.«
    »Und ich hätte meine Vergeltung«, sagte Quire zu sich selbst. »Ich wäre gerechtfertigt.«
    »Es steht außer Frage, daß Ihr belohnt würdet«, fuhr Prinz Sharyar fort. »Wir würden Euch groß machen. Würde Montfallcon Euch erheben?«
    »Nein, Milord. Ich vertraute darauf, daß er es nicht tun würde.«
    »Tut nicht so, als ob Euch an Macht nichts gelegen wäre,
Kapitän Quire.« Prinz Sharyar legte die Hand auf den Arm des
Mannes, der seinen Neffen ermordet hatte.
»Ich habe reichlich davon.«
»Aber keine Position.«
    »Und darum keine Verantwortung. Wäre ich Baron Quire, so müßte ich ein Beispiel geben. In der Tat, ich wäre kaum freier als die Königin selbst!«
    »Ein Fürstentum? Eine Nation? Um mit noch größerer Phantasie Euren Neigungen nachzugehen?«
    Quire schüttelte den Kopf. »Ihr mißversteht mich, Sir, wie Lord Montfallcon mich mißverstanden hat. Und ich weiß ohnedies, daß Ihr versuchen würdet, mich zu töten, wenn meine Arbeit getan wäre. Dieses Angebot von einer Nation ist Unsinn. Ihr würdet eine kleine Welt meiner Schöpfung nicht dulden. Nein, ich werde meine Belohnung selbst wählen, wenn mein Werk getan ist. Ich werde es um der Kunst willen tun, wie Ihr erraten habt. Entschließe ich mich, Euch zu helfen, so werdet Ihr mich aus einem einzigen Grund Montfallcon abgenommen haben: Ihr wißt zu würdigen, daß ich ein Ästhet bin. Ihr habt mir geschmeichelt und mich in anderer Weise anzuregen versucht. Nun, ich bin geschmeichelt und angeregt. Aber es ist nur der Auftrag selbst, der mich lockt. Brächte ich Albion samt seiner Königin auf die Knie, und gelänge es Euch, mich für meine Mühe zu töten, so würde ich mit dem Wissen sterben, daß ich mein größtes, dauerhaftestes Werk geschaffen habe.«
    Prinz Sharyar nahm seine Hand von Quires Arm und blickte in die glitzernden schwarzen Augen. »Fürchtet Montfallcon Euch, Quire?«
    Quire streckte sich und sog die kaffeeduftende Luft tief ein. »Ich denke, er wird es lernen.«
    Er sah eine reiche und blutige Zukunft voraus und gähnte wie ein erwachender Leopard, der schläfrig die Augen öffnet und sieht, daß er in der Nacht unversehens von einer Herde fetter Gazellen umringt worden ist. Er lächelte.

    DAS VIERZEHNTE KAPITEL

    Gloriana, Königin von Albion, und Una, Gräfin von Scaith, unterneh
    men eine Forschungsexpedition in die verborgene Welt

    Die Gräfin von Scaith öffnete beide Fensterläden und fühlte die Sonnenwärme im Gesicht. Sie schnupperte an ihren Veilchen. Von diesem Schlafzimmerfenster überblickte sie Rasenflächen und sprossende Gärten bis hin zum kunstvoll angelegten See, der erst in den letzten Tagen seine schmutzig gewordene Eisdecke verloren hatte. Gärtner und ihre Gehilfen waren da und dort an der Arbeit, beschnitten, kehrten fauliges Laub und abgestorbene Zweige zusammen. Wenn der Frühling endlich käme, dachte Una in plötzlicher Melancholie, würde er unwillkommen sein. In dem Himmelbett hinter ihr, dessen Vorhänge zugezogen waren, schlief Gloriana. Sie war in der Nacht weinend zu ihr gekommen und hatte bei ihr Trost gesucht.

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