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Glueck allein

Glueck allein

Titel: Glueck allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Halcour
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wieder da, nur größer als zuvor.
    Pierre bestellte neues Bier, wir stießen an und wieder trank er seins in wenigen Zügen leer. So angestrengt, wie er es trank, hatte ich ihn noch nie gesehen. Überhaupt hatte ich ihn noch nie so ernst gesehen.
    »Was hast du heute vor?«, fragte ich.
    Er winkte mich zu sich heran. »Liebling, ich muss mit dir reden.«
    »Was ist denn los?«, fragte ich.
    »Meinst du nicht...«, begann er und brach ab. »Ist da nicht...«, setzte er neu an, aber verfiel in ein Stottern. Auch das hatte ich bei ihm noch nie gesehen.
    »Sei ehrlich«, brachte er schließlich hervor, nachdem er sich mit seinem weißen Hemd den Schweiß von der Stirn gewischt hatte, so dass auf dem Ärmel unschöne Flecken verblieben, »liebst du diesen Typen, diesen Florian?«
    Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich liebte ihn nicht. Dafür war er meinen Wünschen viel zu fern. Und, nein, ich brauchte ihn auch nicht, um glücklich zu sein. Keine Sekunde sollte ich seinetwegen mehr traurig sein.
    Gegenüber an der Wand saß ein Mann mit braunem Haar. Wieder hielt ich ihn für Florian, aber zwei Tanzende nahmen mir die Sicht.
    »Nein, wirklich nicht«, sagte ich lächelnd und freute mich, über die ganze Sache schon lächeln zu können.
    Pierre begann wieder zu stottern. »Findest du nicht, da ist was zwischen dir und...«
    »Warte mal, Pierre«, bat ich und legte meine Hand auf seinen Arm. Mein Herz begann so stark zu klopfen, dass ich es bis in die Fingerspitzen fühlte.
    Die beiden Tanzenden waren auseinander gesprungen. Der Braunhaarige hinten an der Wand...
    »Er ist hier!«, zischte ich Pierre zu und wollte auf die andere Seite stürzen, um in Florians Nähe zu sein. Doch abrupt hielt ich inne. Die Bierflasche rutschte aus meiner Hand und das Bier ergoss sich rollend über den Boden. Ein Mann wich der Flüssigkeit aus und sah mich irritiert an. Ich versuchte tief einzuatmen, doch es strömte kaum Luft in meine Lungen. Denn Florian küsste die andere Frau erneut.
    Für unbestimmte Zeit blieb ich wie angewurzelt auf der Tanzfläche stehen. Irgendwann sah er mich. Hastig flüsterte er der Fremden etwas ins Ohr und kam zu mir. Es war nicht der Kuss, der mich so verletzte, auch nicht seine Worte, die ich schon erahnte, sondern nur der mitleidige Blick in seinen Augen, der mir ohne Zweifel offenbarte, dass er mir das, was ich hören wollte, niemals sagen würde.
    »Tut mir leid«, begann er, »ich habe dir ja gesagt, dass ich nichts Festes will.«
    »Ja, ich...«, begann ich, aber konnte nicht sagen, dass ich das verstanden hatte, da ich sonst hätte weinen müssen.
    Wir verstummten. Verlegen rieb er seine Wange.
    »Ich gehe jetzt besser«, sagte ich schließlich leise. Er nickte und traf mich damit erneut. Ich konnte nicht erwarten, dass er mich aufhielt. Das war es ihm nicht wert. Das war ich ihm nicht wert. Wir gaben uns kurz die Hand und wussten, es war vorbei. Unser Date geplatzt, unsere Affäre gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
    »Es ist aus«, sagte ich mit tonloser Stimme zu Pierre, der mir entgegen kam. Er hielt eine Flasche Bier in der Hand und war genauso blass, wie ich es vermutlich war. Als ich ihm sagte, dass ich nun ginge, kühlte er mit dem Bier seine Stirn und flüsterte, dass er sofort seine Freundin anrufen müsse.
    Mit nassen Wangen stieg ich in ein Taxi. Auf der Fahrt zählte ich das Geld, das ich bei mir hatte. Tränen tropften auf die Münzen. Ich versuchte sie mit meinen Ärmeln zu trocknen, bis sie mir der Taxifahrer kopfschüttelnd aus den Händen nahm.
    Wohin bloß mit mir?, dachte ich, während ich die Treppen zu meiner Wohnung hochschlich, und diese Frage ließ mich noch kleiner, noch verlorener, noch elender fühlen. Ohne die Jacke auszuziehen, setzte ich mich auf die Kante meines Schreibtischstuhls und schaltete den Computer ein, in der Hoffnung, irgendein Zeichen von irgendjemandem zu bekommen, der mein Unglück ein wenig betäubte. Und als ob er es geahnt hätte, als ob er nur auf diesen Tag, auf diese Nacht gewartet hätte, blinkte in meinem Postfach eine Nachricht von Leo. Blitzschnell öffnete ich sie.
    »Hoffe, dir geht es gut und du bist glücklich.
    Melde dich, falls du mich vermisst.
    Ich vermisse dich.
    Jede Sekunde.
    Leo.«
    Wieder und wieder las ich die Nachricht, verinnerlichte Wort für Wort, Zeile für Zeile und alles dazwischen und weinte mit jedem Mal mehr. Die Universität, die neuen Kollegen, selbst die Eheverträge hatten mir geholfen, nicht zu ihm

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