Glück, ich sehe dich anders
da die Ambulanz bereits geschlossen war. Die Dienst habende Schwester bemerkte amüsiert, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass in keiner einzigen Abteilung der anderen Klinik solch ein Medikament aufzutreiben sei.
Das hatte mir gerade noch gefehlt. Kluge Sprüche.
Sie holte eine Ärztin ans Telefon. Auch die Ärztin konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein Krankenhaus dieses Medikament nicht vorrätig habe. Sie sagte dann, dass das Mittel aus Kostengründen nicht mit einem Kurier zu unserer nahe gelegenen Klinik geschickt werden könne. Sparmaßnahmen auf Kosten der Patienten. Wunderbar! Und jetzt? Meine Tochter brauchte das Medikament.
Die Ärztin forderte mich auf, mit Louise wieder zur Kinderkrebsklinik zu kommen. Diese Aufforderung konnte nur ein Witz sein. Ich kam doch gerade erst von dort, hatte einen sehr anstrengenden Tag gehabt.
Mittlerweile war mein Nervenkostüm reichlich strapaziert. In mir stieg nur noch Wut auf, ich spürte mein Herz im Hals pochen. Ich wusste genau, wie dieser Tag enden würde.
Nach endlosen Diskussionen mit beiden Krankenhäusern erklärte sich die Ärztin aus dem nahe gelegenen Krankenhaus bereit, das Mittel irgendwie zu beschaffen.
Ich zog meine Tochter also wieder an, suchte für Loreen noch schnell einen Aufpasser.
Louise sagte immer wieder: »Loheeni soll mitkommen!«
Ich erklärte Louise, dass Loreen nicht mitkommen könne, weil es schon spät sei und sie ins Bett müsse.
Loreen schrie, weil ihr alles zu hektisch und unruhig war, bekam eine Panikattacke, wippte mit dem Oberkörper hin und her. Ich hatte nicht mal Zeit gefunden, Loreen ihre Flasche zu machen.
Ich lud Louise ins Auto ein.
Auf der Hinfahrt zur Klinik schlief sie ein. Ich hatte Mühe, sie in der Klinik wieder wach zu bekommen, endlich erhielt sie dann diese Spritze. Anschließend fuhren wieder nach Hause. Auf der Rückfahrt erbrach Louise sich wieder. Ich fuhr rechts heran und säuberte mit Hilfe der Erbrechen-Durchfall-Notfall-Ersatzbekleidungs-Tasche, die ich immer im Auto liegen hatte, die Angelegenheit. Um Mitternacht waren wir dann endlich alle im Bett.
Ich nahm mir vor, mir zum einen nichts mehr gefallen zu lassen und zum anderen Menschen, die ein ähnliches Schicksal erfuhren, eine Hilfe zu sein. Ich wollte für Aufklärung sorgen und anderen Kraft geben. Sicherlich fiel ich einigen Menschen auf die Nerven mit meinen guten Ratschlägen und meiner Besserwisserei, aber ich hatte nun mal eben aufgrund meiner großen Erfahrung mit den Kindern gute Ratschläge parat und durfte es mir wohl erlauben, etwas besserwisserisch zu sein. Oft genug hatte ich im Nachhinein Recht gehabt.
Ich hatte so viel gelernt und verstand es nun, auch bei den Behörden sachlich, aber doch fordernd unsere Rechte geltend zu machen.
Wir waren auf finanzielle Hilfe angewiesen. Weil Rolfs Kündigung zu Unrecht ausgesprochen worden war, hatte unser Rechtsanwalt zwar eine sehr hohe Abfindung mit Rolfs ehemaligem Chef für uns ausgehandelt, aber mit dem Arbeitslosengeld und der Abfindung des Betriebes konnten wir gerade mal einige Monate überbrücken und unsere Hausraten finanzieren.
Wir beantragten Wohngeld, eine Haushaltshilfe und eine höhere Pflegestufe für Louise und Loreen. Um vieles mussten wir kämpfen, da einige Ämter uns immer wieder Steine in den Weg legten. Wir waren – wie auch schon in vergangener Zeit -gezwungen, viele Widersprüche einzulegen und Rechtsberatungen in Anspruch zu nehmen. Und das alles raubte uns zusätzlich die sowieso schon blank liegenden Nerven.
Beispielsweise sagten wir drei Termine für die Begutachtung zur Pflegehöherstufung von Louise ab, da wir plötzlich wegen akuter Beschwerden mit Louise in die Klinik mussten. Die Behörde brachte dafür kein Verständnis auf. Man war überfordert, die Termine aus dem Computer zu löschen und neue Daten einzugeben oder eine Gutachterin zu finden, die flexibel und spontan nach Absprache zu uns ins Haus kommen konnte. Als dann die Begutachtung nach einem halben Jahr endlich stattfinden konnte, mussten wir förmlich betteln, damit der höhere Pflegebedarf anerkannt wurde.
Aber wir hatten keine Lust mehr, uns über die Behörden zu ärgern. Daher reichten wir eine Beschwerde an höherer Stelle ein. Diese Stelle sollte zwischen Betroffenen und Behörden vermitteln. Gleichzeitig schalteten wir einen Rechtsanwalt einer Sozialorganisation für unsere Widerspruchs- und Klageverfahren ein. Und plötzlich klappte alles reibungslos. Das Kämpfen
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