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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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ja so schwer war – dabei trug ich den Einkauf allein. Wir verstauten die Tasche im Kofferraum und fuhren nach Hause. Louise räumte alle Waren in der Küche aus und brachte sie an ihren Platz. Danach setzte sie sich in ihren Fernsehsessel im Wohnzimmer. Sie hatte sich eine Ruhepause verdient.
    Rolf hatte unsere Fahrräder repariert und die Kindersitze daran befestigt, sodass wir nun bei schönem Wetter fast jeden Abend eine kleine Fahrradtour mit den Kindern unternahmen. Dabei stellte ich immer wieder aufs Neue fest, wie wunderschön die Landschaft in unserer Gegend ist. Wir haben gleich vor der Haustür ein wahres Urlaubsparadies. Es ist nicht weit bis zur Nordsee, nur ein paar Kilometer. Wir befinden uns wie auf einer kleinen grünen Insel, umgeben von der See, dem Nord-Ostsee-Kanal und dem Fluss Eider. Bei unseren Fahrradausflügen kamen wir an herrlich angelegten Gärten, reetgedeckten Häusern und bezaubernden Bauernhöfen vorbei. Es roch so herrlich nach frisch gemähtem Gras oder Kuhdünger. Die Kinder erfreuten sich an den Gänsen, Hühnern, Kühen, Kälbchen, Eseln, Pferden, Katzen und Hunden. Beide konnten die Tiergeräusche nachmachen. Loreen machte »buhhh«, als eine Kuh muhte, Louise grunzte, als wir an frei laufenden Schweinen auf einer Wiese vorbeikamen.
    Wir erlebten einen glücklichen Sommer.

MIT NIEMANDEM TAUSCHEN
    L oreen wurde aufgeweckter und mobiler, was grundsätzlich natürlich positiv zu bewerten war, aber sie kannte keine Grenzen, was uns auch wieder mehr Sorgen bereitete. Sie wirkte, als stünde sie ständig unter Strom. Loreen hatte eine unvorstellbare Ausdauer. Bereits morgens, wenn sie wach wurde, brabbelte und kicherte sie im Bett, stand am Gitter und wippte aufgeregt hin und her. Sie konnte es nicht erwarten, aus dem Bett zu kommen. Kaum herausgehoben, begann sie zu tanzen, sich zu drehen und dabei laut zu lachen. Beim Aus- und Anziehen, beim Waschen, beim Kämmen, beim Zähneputzen musste ich sie zwischen meine Beine klemmen, damit sie überhaupt mal stillhielt. Ließ ich sie los, krabbelte oder lief sie wie von einer Tarantel gestochen von einem Zimmer ins nächste. Loreen bewegte sich sehr hektisch und wirkte immer beschäftigt. Wenn wir im Wohnzimmer saßen und zum Flur blickten, sahen wir sie hin und her gehen, eiligen Schrittes in die Küche, dann zurück in den Flur, ins Bad usw. Jedes Mal hatte sie einen anderen Gegenstand unter dem Arm, einen Löffel, den sie sich aus der Küchenschublade geangelt, ein Buch, das sie aus dem Schrank im Flur genommen, eine Rolle Toilettenpapier, die sie aus dem Bad mitgenommen hatte. Sie marschierte mit diesen Dingen unter dem Arm wie ein hochbeschäftigter Professor von Raum zu Raum. Der Oberkörper war dabei meist vorgebeugt, und so eilte sie geschäftig wie zu einem wichtigen Termin.
    Williams-Beuren-Kinder werden oft als Kobolde oder Elfen beschrieben. Wir stuften Loreen absolut in die Kategorie Kobold ein. Wir fanden auf dem Treppenabsatz eine Socke, eine Gabel im Zahnputzbecher, Steine in unseren Schuhen.
    Beim Frühstück stand Loreen im Hochstuhl immer auf und setzte sich auf die Rückenlehne des Stuhls. Selbst ein kurzzeitig angebrachter Gurt half nicht. Loreen befreite sich jedes Mal schnell. Also durfte sie bereits im Alter von zwei Jahren auf unserer Kücheneckbank Platz nehmen, um ihr Essen einzunehmen. Aber auch dort blieb sie keine fünf Sekunden sitzen, stellte sich hin, kletterte in Windeseile auf den Tisch, setzte sich in die Butter, riss den Wurstteller vom Tisch, stand wieder auf und schwang die Deckenlampe hin und her. So schnell, wie es mir möglich war, setzte ich Loreen zurück auf die Eckbank. Aber sie schaffte es immer wieder, blitzschnell auf den Tisch zu gelangen und, wenn wir nicht rechtzeitig eingriffen, von dort über die kleine Mauer, die Essplatz und Küche trennt, direkt in das Abwaschbecken. Dort lutschte sie genüsslich an einem Schwamm oder einem Putzlappen, der im Becken lag. Unsere Nerven lagen oft blank. Es blieb uns nichts anderes übrig, als Loreen zeitweise im Stehen essen zu lassen. Das hatte allerdings den Nachteil, dass sie anfing, während des Essens auf Wanderschaft zu gehen. Sie holte sich einen Bissen Marmeladenbrot am Tisch ab, den sie weder kauen noch hinunterschlucken konnte, sondern nur lutschte, lief eilig von der Küche in die Wohnstube, von der Wohnstube in den Flur, vom Flur wieder in die Küche und spuckte – dies ist noch freundlich ausgedrückt – uns den Bissen direkt vor die

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