Glück, ich sehe dich anders
Füße und verlangte einen neuen Happen.
Louise, der wir bereits früh sehr gute Manieren beigebracht hatten, war bis dahin immer sehr anständig gewesen. Doch die akrobatischen Kletteraktionen ihrer Schwester und das ständige Ausspucken der Nahrungsmittel imponierten ihr, und sie machte es ihr nach. Da saß ich dann als Mutter mit zwei völlig durchgeknallten Kindern und versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen.
Wenn solch ein anstrengender Tag vorbei war, fielen Rolf und ich müde und ausgelaugt ins Bett. Aber der Wunsch nach einem anderen Leben kam uns trotz allem nicht in den Sinn. Wir vier hatten schon so viel gemeinsam geschafft und auch die schwere Zeit der Leukämieerkrankung mit all ihren Tücken überstanden. Louises Blutzwischenwerte waren bestens. Untersuchungen am Knochenmark ergaben, dass dieses frei von Leukämiezellen war. Wir sahen endlich wieder Licht am Ende des Tunnels und waren stolzer denn je zuvor auf unsere beiden Mädchen und auf uns. Jetzt galt es nur noch, die Dauertherapie, die zur Vorsorge eines erneuten Ausbrechens von Krebszellen diente, durchzuhalten.
Da Louise noch immer nicht wieder den Kindergarten besuchen konnte und Loreen das Kindergartenalter für die Integrationsgruppe in unserer Wohnortnähe noch nicht erreicht hatte, nutzten wir jetzt regelmäßig das Angebot, mit unseren Mädchen im Kindergarten zu spielen, wenn die anderen Kinder längst zu Hause waren. Dies hatten uns die Mitarbeiterin der Perspektive Meldorf von der Abteilung Frühförderung und die Heilpädagogin des Heilpädagogischen Kindergartens Meldorf ermöglicht. Diesmal überraschten uns Frau Hansen und Frau Glindemann mit einer großen Hüpfburg, auf der Louise und Loreen ausgelassen turnen konnten. Danach durften sich die Mädchen in einem Kuschelraum ausruhen und sich von musikalischen Klängen und Lichterspielen verwöhnen lassen.
Rolf und ich waren immer häufiger sehr erschöpft und überlegten, dass eine gemeinsame Erholungskur uns allen gut tun würde. So stellten wir einen Antrag für eine Familienkur bei unserer Krankenkasse. Diese wurde zunächst nicht für die ganze Familie bewilligt, deshalb ging der Antrag von einer Behörde zur anderen, um nach langer Bearbeitungszeit doch noch für die gesamte Familie von meiner Rentenversicherungsanstalt bewilligt zu werden. Unsere Freude war groß!
Geplant war eine Kur für den Frühwinter 2001 im Schwarzwald. Wir überlegten, ob wir die Reise mit der Bahn oder mit dem eigenen Pkw antreten sollten. Aber beides barg irgendwelche unlösbaren Probleme. Die Bahnfahrt wäre mit beiden Kindern sicherlich sehr anstrengend gewesen, da besonders Loreen nicht zwei Minuten stillsitzen konnte und immer weglief. Unser Pkw war für all das Gepäck und die beiden Kinderwagen viel zu klein. Ein Kleinbus wäre nicht schlecht gewesen, aber als Mietwagen für uns viel zu teuer. Einen Bus zu kaufen und monatliche Raten abzuzahlen kam überhaupt nicht in Frage. Da kam mir eine Idee: Wir waren bereits jahrelang bei einem großen Autoclub Mitglied, und so hoffte ich, dass dieser uns solch einen Bus womöglich günstig vermitteln könnte. Ich setzte einen Brief auf, erläuterte darin unsere Situation und legte ein paar Fotos von uns und den Kindern dazu. Der Club antwortete rasch. Leider konnten sie uns keinen Kleinbus vermitteln. So entschieden wir uns doch für die Bahnfahrt. Der Autoclub schlug uns dennoch vor, die gesamten Koffer mit der Bahn vorauszuschicken und die Beförderungskosten der Gepäckstücke für die Hin- und Rückfahrt zu übernehmen. Das war eine große Hilfe. Somit hatten wir keine Mühen mit den Koffern und nur die Kinder mitsamt den Kinderwagen zu befördern.
Die Kosten für die Bahnfahrt bekamen wir aufgrund der zwei Behindertenausweise komplett erstattet. Und wir konnten für uns ein ganzes Abteil reservieren, sodass Loreen und Louise sich frei bewegen konnten und nicht durch Fremde gestört wurden und umgekehrt. Ende November traten wir dann unsere heiß ersehnte Reise in unseren wohlverdienten ersten gemeinsamen »Familienurlaub« an.
Wir ließen uns auf eine abenteuerliche Bahnfahrt ein. Für Louise und Loreen hatte meine Schwester in einem Spielwarengeschäft ein paar Schaffnerutensilien wie Mütze, Trillerpfeife, Kelle, Spielfahrkarten und einen Fahrkartenentwerter besorgt, damit wir ihnen die Bahnfahrt unterhaltsam gestalten konnten.
Aufgeregt standen wir auf dem Bahnhof und warteten auf unseren Zug. Als er heranrollte, jubelten Louise und
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