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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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nach.
    Zu lange durfte sie aber nicht am Computer spielen. Zwei-bis dreimal pro Woche für jeweils zehn bis fünfzehn Minuten. Aber sie vergaß den Computer nicht. Abends, wenn ich sie zu Bett bringen wollte, stand sie aufgeregt vor unserem Arbeitszimmer, klopfte an die Tür und machte Zeichen mit ihren Fingern, während sie rief: »Da, da, da!«
    Wir freuten uns über Louises Lernverhalten und ihre tollen Fortschritte trotz der anstrengenden Krebstherapie. Anfangs dachten wir, sie würde sicher vieles verlernen oder in ihrer Entwicklung stehen bleiben. Glücklicherweise hatte es sich nicht so ergeben.
    Besonders stolz waren wir auf ihren ausgeprägten Sinn für Ordnung. Wenn sie oder Loreen beispielsweise beim Essen kleckerten, dann holte sie einen Lappen und wischte den Tisch sauber. Sie reinigte auch ihren Mund nach jedem Bissen, den sie in den Mund steckte. Eine Serviette oder ein Lätzchen musste grundsätzlich neben ihrem Teller liegen.
    Louise half mir gern. Wenn sie bemerkte, dass ich das Essen vorbereitete, kam sie in die Küche, öffnete die Schranktüren und Schubladen und holte alle möglichen Teller, Bestecke, Brettchen und Tassen hervor und legte alles ordentlich auf den Küchentisch. Ich lobte sie dafür, auch wenn all das Geschirr und Besteck meist gar nicht benötigt wurde. Wenn der Kühlschrank aufstand, ging sie hin und holte einen Pudding heraus. Sie nahm nicht irgendeinen Pudding. Sie nahm genau die Sorte, die Loreen immer bekam. Den Pudding stellte sie auf das Tischchen vor Loreens Hochstuhl. Dann zog sie die Besteckschublade auf, reckte und streckte sich und zog – ohne in die Schublade sehen zu können – einen Löffel hervor, den sie dann neben den Pudding legte. Auch den Geschirrspüler räumte sie gern aus. Sie wusste genau, dass Messer, spitze Gegenstände oder zerbrechliches Porzellan für sie tabu waren. Nur die Löffel, Bretter oder Kunststoffgegenstände nahm sie heraus, reichte sie mir und freute sich, wenn ich ihr bei jedem Gegenstand für ihre freundliche Hilfe dankte. Während sie die doch sehr leichten Gegenstände aus dem Geschirrspüler herausholte, stöhnte und schnaufte sie, als wären sie felsbrockenschwer. Ich war erleichtert, dass Louise sich so gut beschäftigen konnte, denn was konnte ich ihr zu Hause schon Großartiges bieten. Es war hilfreich, dass ihr diese spielerischen Tätigkeiten im Haushalt so viel Freude bereiteten, ich hatte befürchtet, Louise könne sich wegen der Isolierung von den anderen Kindern durch das Kindergartenverbot langweilen.
    Als ich eines Abends einen Hefeteig zubereitete, diesen kräftig knetete, immer auf den Tisch warf, hineinschlug und so tat, als schimpfte ich ihn aus, schaute Louise mir erstaunt zu. Sie meckerte ebenso herum und zeigte mit dem Finger auf den Teig und rief: »Du, du du!«, so als wollte sie den Teig ermahnen. Ich gab die zähe Masse in eine Schüssel, deckte diese mit einem Handtuch ab und stellte sie in der Wohnstube auf die Heizung, damit der Teig schön aufgehen konnte. Ich räumte noch etwas auf. Louise sah mir zu. Sie beobachtete die Schüssel und war sehr entzückt, als sich später das Handtuch wölbte und ein kleiner Hügel zu erkennen war. Sie marschierte in die Küche und holte eine Schüssel aus dem Schrank. Dann fuchtelte sie aufgeregt mit den Händen in der Luft herum und schimpfte. Sie holte eine andere höhere Schüssel aus dem Schrank, steckte diese in die größere hinein, nahm ihr Kuscheltuch, legte es über die Schüsseln und stellte alles neben den Hefeteig auf die Heizung. Da die zweite Schüssel, die Louise in die andere gesteckt hatte, etwas höher war, sah sie unter dem Kuscheltuch wie ein Hefeteig aus.
    In solchen Momenten hätte ich vor Freude weinen können. Es waren Lichtblicke, wenn ich sah, wie schlau Louise sich verhielt, wie klug sie beobachtete und nachahmte. Das war der größte Dank für unsere Fürsorge, den wir erhalten konnten. Mit Familie und Freunden feierten wir kurz vor Loreens drittem Geburtstag im Sommer ein schönes Tauffest. Wir waren stolz auf unser zweites behindertes Mädchen und suchten dementsprechend ihren Taufspruch aus.
    Herr, ich danke dir, dass ich so wunderbar gemacht bin!
    Louise und Loreen trugen an diesem Tag jede ein hübsches dunkelblaues Satinkleid, das an den Ärmeln und am Saum mit hellblauen Blümchen bestickt war. Oma Karin hatte sie zuvor noch passend zurechtgeschneidert. Wie zwei Prinzessinnen saßen unsere beiden Mädchen artig auf der Kirchenbank in

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