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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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die Hände waschen mussten.
    Loreen war ein neugieriges Mädchen, aber auch sehr ängstlich. Schaute Louise sich einen Zeichentrickfilm im Fernsehen an, schrie Loreen die meiste Zeit. Loreen hatte zum Beispiel panische Angst vor Gegenständen, die in die Luft flogen, oder vor Dingen, die vom Himmel fielen und auf der Erde landeten – wie beispielsweise ein Fallschirmspringer. »Oh Mann, Loheen, Ruhe!«, rief Louise dann. Sie wollte ungestört ihre Sendung sehen. Oder Louise schickte Loreen aus dem Zimmer und knallte hinter ihr die Wohnzimmertür zu.
    Einmal hörte Loreen gar nicht auf zu weinen, als im Fernsehen ein Trickfilm-Baum seine Blätter verlor. Die Blätter flogen vom Wind in den Himmel davon. Loreen hatte große Angst. Es lag nicht am Ton oder an den Geräuschen, die ihr sonst immer Angst machten. Wir konnten den Ton abstellen, sie hatte trotzdem Angst vor den fliegenden Blättern.
    Während der Krebstherapie hatte sich Louises Sehfähigkeit verschlechtert. Es fiel mir daran auf, dass sie Bücher oder Zeitschriften auf einmal sehr dicht ans Gesicht hielt, um etwas erkennen zu können. Bei einer Augenuntersuchung stellte der Arzt schließlich eine Weitsichtigkeit fest. Die Fahrt zum Brillengeschäft war für Louise wie ein Ausflug, denn sie war lange nicht mehr in der Stadt oder in einem größeren Geschäft gewesen. Louise bestaunte alles, die Regale mit den Brillen und die Kunden. Sie hatte Spaß, die verschiedenen Gestelle anzuprobieren, und wir entschieden uns am Ende für ein knallrotes Modell. Endlich hatte auch Louise eine Brille. Sie war schon immer neidisch auf die Brille von Loreen gewesen, die ihre bereits zum ersten Geburtstag bekommen hatte.
    Die Freude an der Brille hielt jedoch nur zwei Tage. Dann wollte Louise sie nicht mehr tragen. Da sie nur eine leichte Sehschwäche hatte, war es zum Glück nicht unbedingt notwendig, dass sie die Brille täglich trug.
    Louise war sehr begabt im Malen. Bereits seit ihrem zweiten Geburtstag malte sie mit Wachsmalstiften und schwungvollen Handbewegungen kunstvolle Zeichen und Flecken auf das Papier. Später erhielt sie von meiner Mutter einen Tuschmalkasten, verschiedene Pinsel und einen Malblock. Sie hielt den Pinsel geschickt in der rechten Hand, tauchte ihn in den Wasserbehälter und tupfte zart und geschmeidig Farbe damit auf, bevor sie dann ganz gezielt wunderschöne Gestalten und Figuren auf das Papier brachte. Mal waren die Bilder wässrig verlaufen, weil sie den Pinsel zu lange ins Wasser getaucht und zu wenig Farbe benutzt hatte; mal waren sie kräftig und schillernd. Louise fertigte während ihrer vielen Krankenhausaufenthalte unzählige solcher Bilder an.
    Wir gaben den Malwerken Namen. Das Schwein im Weltall nannten wir eines zum Beispiel. Louise hatte mit rosa Farbe einen großen Klecks in die Mitte des Papiers gemalt und dann kleine schwarze Pünktchen drum herum. Ein anderes Bild erhielt den Titel Bunte Flugzeuge. Auf dem Papier waren deutlich drei Flugzeuge zu sehen. Ein blaues, ein schwarzes und ein rotes. Die Tragflächen waren deutlich zu erkennen. Der blaue Pilz war ein Bild, auf dem ein wunderschöner, großer blauer Pilz zu sehen war. Ein weiteres Bild nannten wir Feuervogel. Darauf war ein roter Vogel, der seine Flügel weit spannte.
    Louise hatte eine enorme Fingerfertigkeit. Deshalb hatte ihr Oma Karin bei einem ihrer Krankenhausaufenthalte ein Computerlernspiel für Kinder geschenkt. Wir übten mit ihr, und sie verstand schnell. In einem Programm erschien ein schwarz-weißes Bild, welches ausgemalt werden sollte. Sie musste nur die Maus hin und her bewegen, nach rechts, nach links, nach oben und nach unten. Mittels dieser Bewegungen malte sie das Bild dann auch großflächig aus. Als sie fertig war, erklang passend zum Motiv eine Musik. Louise freute sich. Nach der Musik kam ein neues schwarz-weißes Bild. Sofort begann Louise, eilig die Maus zu bedienen. Und als auch dieses Bild fertig ausgemalt war, freute sie sich über die neue Musik. Das Spiel brachte Louise Abwechslung, und sie liebte sowieso jegliche Art von Fingerspielen. Wenn ihr jemand etwas vorsang, lauschte sie dem Text und machte Zeichen mit den Fingern dazu. Bei einem anderen Spiel in dem Computer brauchte sie ebenfalls nur die Maus hin und her zu schieben. Auf dem Bildschirm waren lauter Bilder zu sehen, und wenn man mit der Maus auf ein Bild kam, sang ein Hase ein Lied und bewegte selbst seine Hände und Finger dazu. Louise machte die Bewegungen sofort begeistert

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