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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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Schwiegereltern. Die Kinder freuten sich riesig. Besonders Loreen hatte Oma Karin sehr vermisst. Schon als das Auto vor der Tür anhielt, stieß Loreen freudenartige Laute aus und rannte ihrer Oma entgegen. Die beiden Mädchen wollten gar nicht wieder mit nach Hause. Sie waren so glücklich, dass Oma Karin und Opa Rolf da waren. In der vergangenen Zeit hatten sie uns viel Arbeit abgenommen, die Kinder oft betreut und uns tatkräftig zur Seite gestanden.
    Als ich Louise und Loreen so glücklich mit ihren Großeltern sah, kam aber auch das gekränkte Kind wieder in mir hoch. Ich hatte nie eine so wunderbare Oma und einen so wunderbaren Opa gehabt. Das fehlte mir sehr. Ich begann über das Leben meiner Großeltern mütterlicherseits nachzuforschen, aber erst nach dem Tod meiner Oma fanden wir alte Briefe, Papiere und Fotos. Sie hatte nie über ihre Erlebnisse zum Beispiel bei der Flucht aus Pommern gesprochen. Jetzt bastelte ich mir mit Hilfe von Notizen, Briefen und Bildern meine eigene Oma-Opa-Welt.
    Louise hatte sich bald einen für ihre Verhältnisse großartigen Wortschatz angeeignet. Rolf und ich verstanden ihre Äußerungen ohne Probleme, anderen fiel es schwer, sich mit Louise zu verständigen. Louise benutzte teilweise Gebärden, wenn sie etwas trinken oder essen wollte. Sie hatte lediglich für verschiedene Getränke und Nahrungsmittel eigene Wörter oder Anfangsbuchstaben der Wörter. »Mama Ti!« bedeutete: »Mama Tee!« Das war nicht schwer zu erraten, da sie dabei ihre leere Trinkflasche aufgeregt in die Luft streckte. Wenn ihre Schwester Loreen etwas trinken wollte, die sich aber nicht gut äußern konnte, hatte Louise eine bezaubernde Art, es uns zu vermitteln. Sie rief zum Beispiel: »Mama Heen Mi Kaka!«, wenn Loreen Milch mit Kakao wünschte.
    Als Louise im Fernsehen einmal einen Elefanten sah, rief sie aufgeregt: »Mamaaaaaaaaaaaaaa, Ele, da, da!« Als ich nicht reagierte, kam sie eilig angelaufen, tippte mir mit dem Zeigefinger fest gegen das Bein, bis dieser sich fast durch das Fleisch bohrte und rief: »Duuu, Duuu, Duuu! Da Ele, Ele!«
    Louise konnte aber auch ein wahres Schlitzohr sein. Wollte sie beispielsweise morgens aufstehen, dann rief sie einige Male: »Mama!« Kam ich nicht gleich zu ihr, dann wurde sie energischer. »Maaaamaaaa!« Und wenn ich dann noch nicht reagierte, ertönte ein lautes Grölen. »Mama AUUUAAA!« Und das half natürlich, denn Louise und Schmerzen, das kannten wir zur Genüge, und dann wurde sie ja immer schnell getröstet, und alle kümmerten sich um sie. Louise wusste genau, was Sache war.
    Im Gegensatz zu Louise hatte Loreen kein großes Interesse an Spielzeug. Sie schmiss meist nur alles durch die Gegend und machte dadurch vieles kaputt. Sämtliche Video- und Musikkassetten sowie CDs mussten wir aus ihrer Reichweite verbannen, da sie entweder die Bänder herauszog und sich um den Hals wickelte oder die Dinge zerbrach. Die Schränke in unserem Haus waren bald völlig leer, weil vor Loreen nichts sicher war. Wir hatten uns beim Einzug in das neue Haus ein paar Möbel gekauft, deren Türen und Schubladen man leider nicht abschließen konnte. Herkömmliche Kindersicherungen passten nicht. Es befanden sich nur noch auf den obersten Regalen einige Sachen. Das sah ziemlich ungemütlich aus, aber wir hatten keine andere Wahl.
    Loreen war immer so hektisch und konnte sich nicht auf einen Gegenstand konzentrieren. Sie drückte zwar mal die Tasten eines Babytelefons, geeignet für Kleinkinder bis zum zweiten Lebensjahr, aber mit altersgerechten Steckspielen oder Ähnlichem war sie noch überfordert. Loreen liebte es, ihre Babyrassel und Dosen, die mit trockenen Erbsen gefüllt waren, zu schütteln. Sie hatte eine Vorliebe für das Kratzen mit den Fingernägeln auf rauen Oberflächen. Bücher, Zeitungen und Kataloge zerriss sie und aß die Seiten auf, bis sie erbrach. Sämtliche Kinderbücher und Holzspielsachen waren angenagt. Auch draußen steckte Loreen alles in den Mund. Sie verschlang haufenweise matschigen Mutterboden und Blumen und machte sich über Glaswolle oder Betonreste her, die aufgrund von Baumaßnahmen überall in der Gegend herumlagen. Loreen biss in Kabel von Mischmaschinen oder vom Rasenmäher, trank wie ein Tier gebückt kopfüber Wasser aus Pfützen und wälzte sich mit dem Rücken wie ein Ferkel im Dreck.
    Loreen saß lediglich artig und gespannt am Tisch in der Küche, wenn wir uns abends nach dem Abendbrot und der Körperpflege eine gute Stunde dort

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