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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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zurückziehen und nur damit beschäftigt sein, dass meine Kinder gesundheitlich angeschlagen waren. Das war nicht alles im Leben. Wo war die selbstbewusste und beliebte Melanie geblieben? Mit der Geburt beider Kinder hatte mein Leben eine schlagartige Wende genommen. Ich hatte ausschließlich für meine Kinder gelebt, ich selbst war völlig auf der Strecke geblieben, hatte mich vernachlässigt, körperlich und seelisch. Das sollte sich jetzt ändern. Meine Energie für Krankenhäuser, mein Interesse für Behinderte, mein Ehrgeiz und Kampf gegen sämtliche Behörden waren auf dem Nullpunkt. Ich wollte nichts mehr hören und sehen von all dem Elend, den Bürokraten und dem Leben, das mich zermürbte und kaputtmachte.
    Und weil ich zusätzlich wieder unter meinem Gewicht litt, traute ich mich schon gar nicht mehr auf die Straße, da ich immer befürchtete, Personen aus meiner Vergangenheit zu treffen. Dieses war schon das eine oder andere Mal passiert, und ich genierte mich dann unbeschreiblich. Was dachten die nur?, fragte ich mich.
    Ich war psychisch und physisch noch immer ziemlich angespannt und befand mich weiterhin in psychologischer Betreuung.

NOCH EIN
NERVENZUSAMMENBRUCH
    M ein zweiter Nervenzusammenbruch kam bald. Ich weiß nicht, warum, er war einfach da. Ich merkte, dass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte, das ständige Lärmen, Streiten und Gejohle der Kinder stresste mich. Mein Kopf dröhnte, meine Hände zitterten, innerlich war ich sehr unruhig. Ich wusste nicht, warum, aber ich hatte Angst. Ich hatte ständig das Gefühl, ich stünde kurz vor einer Prüfung. Ich war so aufgeregt, dass ich andauernd auf die Toilette musste. Schlafen konnte ich auch nicht mehr. Ich wälzte mich von einer auf die andere Seite, hatte das Gefühl, ich bekäme keine Luft mehr. Ich wollte mit den Kindern nicht allein sein, Rolf sollte immer in der Nähe bleiben. Ich hatte Angst, ich falle um und könne dann die Kinder nicht mehr versorgen. Es war schlimmer als bei meinem ersten Zusammenbruch.
    Ich ging zu meinem Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Zu ihm und seiner Familie hatten wir auch privat einen guten Kontakt. Sie war die erste Familie gewesen, die wir kennen gelernt hatten, deren Tochter auch ein Down-Syndrom hatte. Da der Arzt von unserer gesamten Familiensituation wusste und ich sehr ängstlich gegenüber irgendwelchen Tumorerkrankungen war, gab er mir, um mich zu beruhigen und uns Klarheit zu verschaffen, eine Überweisung zur Untersuchung meines Kopfes in einem so genannten Magnet-Resonanz-Therapie-Gerät. Ich hatte große Angst, dass ein Tumor in meinem Gehirn sitzen würde, der mir diese Probleme bereitete. Bis zum Untersuchungstermin sollte aber noch eine Weile vergehen. Da meine Schleimhäute in der Nase sehr angeschwollen waren, behandelte mich mein Arzt zunächst mit Antibiotika auf eine Nasennebenhöhlenentzündung. Es stellte sich jedoch so bald keine wesentliche Besserung ein. Und irgendetwas war in meinem Kopf oder in meinen Ohren, was ich nicht so recht deuten konnte. Als ich eines Abends zu Bett ging und schlafen wollte, hatte ich ständig Geräusche im Ohr – wie das Rauschen der Heizung und Zirpen von Grillen. Aber Letzteres konnte nicht sein, denn wir hatten Winter, da zirpten keine Grillen. Das Zirpen fand in meinem Ohr statt. Ein eigenartiger schriller Ton, der mich verrückt machte und lauter wurde, wenn ich darauf achtete.
    Ich fuhr am nächsten Tag zum Krankenhaus. Dort hatte zufälligerweise mein Hals-Nasen-Ohren-Arzt Rufbereitschaft. Akuter Tinnitus hieß es, und ich erhielt durchblutungsfördernde Infusionen. Im Behandlungszimmer saßen bereits ein paar Patienten mit dem gleichen Befund. Alle hingen an Infusionen. Man kam schnell ins Gespräch. Alle hörten ein Zirpen wie von Grillen, Heizungsrauschen oder Ähnliches, einige von ihnen quälten drei oder vier verschiedene Töne auf einmal. Eine ältere Frau litt schon drei Jahre lang an Tinnitus, ein älterer Herr bereits seit über dreißig Jahren. Stress, Aufregung oder laute Musik, all das hatte diesen Patienten zu diesem »kleinen Mann im Ohr« verholfen. Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Es war klar, woher ich diese Geräusche hatte.
    Die Infusionen trieben meinen Kreislauf in die Höhe. Ich zitterte noch mehr, bekam einen heißen, hochroten Kopf, aber irgendwie überstand ich die Gabe der Infusionen, die acht Tage lang jeweils vier bis fünf Stunden dauerte. Danach durfte man nach Hause gehen, es waren nur teilstationäre Behandlungen,

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