Glücklich die Glücklichen
Affären hat. – Hat er auch nicht, deshalb kümmere ich mich ja drum. Ich rief ihm ins Gedächtnis, dass ich als Odiles Freundin von solchen Vertraulichkeiten nichts hören wollte. Luc wischte sich lachend den Mund ab. Er kniff mir halb mitleidig in die Wange. Er hatte seine Schale Fritten schon verschlungen und machte sich jetzt über den Rest des Schnitzels her. – Wer ist es denn ?, fragte ich. – O nein, Paola ! Du bist mit Odile befreundet, du willst das nicht wissen ! – Wer ist es ? Kenne ich sie ? – Nein, du hast recht, es wäre zu hässlich, wenn du es wüsstest. – Ja, sehr hässlich. Also sag schon. – Virginie. Sprechstundenhilfe. – Woher kennst du sie ? ... Luc deutete mit einer Geste die große weite Welt seiner Beziehungen an. Plötzlich war ich fröhlich. Ich hatte das ganze Glas Cognac ungewöhnlich schnell ausgetrunken. Im Grunde war ich fröhlich, weil Luc es wieder war. Er bestellte eine Aprikosentarte mit zwei Löffeln. Sie war sauer und zu sahnig, aber um die letzte Frucht balgten wir uns. Hinter uns lachten die jungen Leute, und ich fühlte mich jung wie sie. Ich sagte, nimmst du mich mit zu dir, Luc ? Er sagte, gut, na los. Und ich wusste nicht mehr, ob das eine gute Idee war. Ich wusste sowieso nichts mehr so richtig. Eine Weile fühlten sich die Dinge noch ganz leicht an. Als wir durch den Regen rannten. Anfangs war die Stimmung auch im Auto leicht. Dann fiel mir eine von den CD s runter, die in der Mittelkonsole steckten. Sie rutschte aus ihrer Hülle und rollte unter meinen Sitz. Als ich sie wieder geangelt hatte, hielt Luc schon die Hülle in der Hand. Beim Fahren nahm er mir die CD aus der Hand und legte sie selbst zurück in die Hülle. Dann räumte er sie an ihren Platz zwischen den anderen zurück und klopfte darauf, damit sie sich sauber einreihte. Das geschah ohne einen Ton. Ohne Worte. Ich kam mir ungeschickt vor, ja fast der Schnüffelei schuldig. Aus dieser Beflissenheit hätte ich schließen können, dass Luc Condamine ein Zwangscharakter ist, aber ich dumme Gans hätte nur am liebsten geweint wie ein ertapptes Kind. Und die Idee, zu ihm zu gehen, fand ich nicht mehr gut. Im Eingangsbereich des Gebäudes schloss Luc eine Glastür auf. Dahinter lehnten ein Kinderwagen und ein zusammengeklappter Buggy am Treppengeländer. Luc ließ mich vorgehen, und wir stiegen zu Fuß in die dritte Etage, über eine durch einen Fahrstuhlschacht beengte Treppe. Luc machte Licht in der Diele seiner Wohnung. Ich konnte volle Bücherregale erkennen und eine Garderobe, an der Anoraks und Mäntel hingen. Meinen zog ich aus, ebenso die Handschuhe und den Schal. Luc führte mich ins Wohnzimmer. Er regelte das Licht einer Halogenlampe und ließ mich einen Augenblick allein. Es gab ein Sofa, einen niedrigen Tisch, nicht zusammenpassende Stühle, wie in jedem Wohnzimmer. Ein ziemlich abgenutzter Ledersessel. Ein Bücherschrank, Bücher, gerahmte Fotos, darunter eines von Luc im Oval Office, wie hypnotisiert auf Bill Clinton starrend. Eine Ansammlung zufälliger Gegenstände. Ich setzte mich auf den äußersten Rand des Ledersessels. Das Vorhangmuster hatte ich schon mal irgendwo gesehen. Luc kam zurück, er hatte sich die Jacke ausgezogen. Er sagte, magst du was trinken ? Ich sagte, einen Cognac, als wäre ich im Lauf eines Abends zu einer Frau geworden, die bei jeder Gelegenheit Cognac trinkt. Luc brachte eine Flasche Cognac mit zwei Gläsern. Er setzte sich aufs Sofa und schenkte uns ein. Nachdem er das Licht gedimmt und eine Lampe mit plissiertem Stoffschirm eingeschaltet hatte, lümmelte er sich zurückgelehnt in die Kissen und betrachtete mich. Ich saß auf wenigen Zentimetern Sessel, aufrecht, mit gekreuzten Beinen und versuchte, mir mit meinem Schnapsglas etwas Lauren-Bacallhaftes zu geben. Luc versank mit gespreizten Beinen im Sofa. Zwischen ihm und mir stand auf einem Beistelltischchen ein gerahmtes Foto seiner lachenden Frau, die mit den beiden Töchtern Minigolf spielt. Luc sagte, Andernos-les-Bains. Sie haben ein Familienhaus in Andernos-les-Bains. Seine Frau stammt aus Bordeaux. Mir wurde leicht schwindlig. Mit einer Langsamkeit, die mir fast melodramatisch vorkam, begann Luc, sich mit einer Hand das Hemd aufzuknöpfen. Dann schlug er es auf. Ich begriff, dass ich dasselbe tun sollte, dass ich mich ein paar Meter von ihm entfernt im selben Rhythmus entkleiden sollte. Luc Condamine hat, was das betrifft, einen großen Einfluss auf mich. Ich trug ein Kleid, darüber
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