Glücklich die Glücklichen
eine Strickjacke. Ich entblößte eine Schulter. Dann streifte ich einen Ärmel der Strickjacke ab, um Vorsprung zu gewinnen. Luc zog sich einen Hemdärmel aus. Ich entledigte mich der Strickjacke und warf sie zu Boden. Er tat dasselbe mit seinem Hemd. Nun war er oben ohne. Und lächelte mich an. Ich lüpfte mein Kleid und rollte ein Strumpfbein herunter. Luc zog die Schuhe aus. Ich schob das andere Strumpfbein herunter, machte ein Knäuel aus der Strumpfhose und warf sie ihm zu. Luc zog seinen Reißverschluss auf. Ich wartete einen Moment. Er befreite sein Geschlechtsteil, und plötzlich fiel mir auf, dass das Sofa türkis war. Ein schillerndes Türkis unter dem künstlichen Schummerlicht, und es überraschte mich, dass man zwischen all die anderen Dinge ein Sofa in dieser Farbe stellen konnte. Ich fragte mich, wer in diesem Paar wohl für die Inneneinrichtung zuständig war. Luc rekelte sich in eine laszive Position hinein, die ich zugleich sexy und peinlich fand. Ich betrachtete das Zimmer, die Bilder in ihrem künstlichen Zwielicht, die Fotos, die marokkanischen Laternen. Ich fragte mich, wem die Bücher gehörten, die Gitarre, die grässliche Elefantenfuß-Topfpflanze. Ich sagte, das alles wirst du niemals verlassen. Luc Condamine hob den Kopf und betrachtete mich, als hätte ich gerade einen vollkommen aberwitzigen Satz von mir gegeben.
Ernest Blot
Meine Asche. Ich weiß nicht, wohin damit. Ob sie irgendwo weggeschlossen oder verstreut werden soll. Ich frage mich das, während ich im Bademantel in der Küche vor meinem Laptop sitze. Jeannette läuft hin und her, eine Frau, die sich freut, ihren freien Tag mit Geschäftigkeit anzufüllen. Sie reißt Schränke auf, wirft Maschinen an, lässt Besteck klirren. Ich versuche, die Online-Version einer Zeitung zu lesen. Ich sage, Jeannette ! ... Bitte. Meine Frau antwortet, keiner zwingt dich dazu, dich in die Küche zu setzen, während ich das Frühstück fertig mache. Ein Schlechtwetterrumpeln dringt vom Fenster herein. Ich fühle mich abgenutzt, bucklig und kneife trotz der Brille die Augen zusammen. Ich betrachte meine Hand, die über den Tisch irrt, um jenes Utensil geschlossen, das Maus genannt wird; ein Körper im Kampf mit einer Welt, zu der er nicht mehr gehört. Die Alten sind Menschen aus einer anderen Zeit, die in die Zukunft versetzt worden sind, sagte neulich mein Enkel Simon. Ein Genie, der Junge. Jetzt prasselt Regen an die Scheibe, und mir fallen Bilder ein, vom Meer, vom Fluss, von Asche. Mein Vater hat sich einäschern lassen. Wir holten ihn in einer hässlichen eckigen Metalldose ab, die braun angemalt war, in derselben Farbe wie die Klassenzimmerwände im Collège Henri-Avril in Lamballe. Die Asche verstreute ich zusammen mit meiner Schwester Marguerite und zwei Vettern von einer Brücke in Guernonzé. Er wollte in der Braive sein. Hundert Meter von seinem Geburtshaus entfernt. Mitten in der Stadt. Da war ich vierundsechzig, ein paar Monate nach meinem fünffachen Bypass. Es gibt keinen Ort mit seinem Namen. Marguerite kann sich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass er keinen eigenen Ort hat. Wenn ich hinfahre – einmal im Jahr, es ist weit –, klaue ich manchmal irgendwo auf einer Böschung eine Blume, oder ich kaufe eine und werfe sie verstohlen rein. Sie wird vom Wasser davongetragen. Und ich erlebe zehn erfüllte Minuten. Mein Vater fürchtete sich davor, eingesperrt zu sein wie sein Bruder. Ein Bruder, der sein komplettes Gegenteil war. Ein Vabanquespieler. Eine Art großer Gatsby. Wenn er ein Restaurant betrat, warf sich ihm das Personal zu Füßen. Er hat sich auch einäschern lassen. Seine letzte Frau wollte ihn zur Familie betten, in das Pharaonengrab, das sie haben. Der Subalterne vom Bestattungsinstitut öffnete die Tür aus ziselierter Bronze einen Spalt weit, stellte die Urne auf das erste der zwölf Marmorregale und schloss wieder ab. Auf dem Rückweg vom Friedhof sagte mein Vater im Wagen, da bist du stolz drauf, dein ganzes Leben lang durch den Haupteingang zu kommen, und am Ende schiebt man dich durch einen Türspalt und knallt dich hin, wo gerade Platz ist. Ich würde mich auch am liebsten in einer Strömung auflösen. Aber seit ich Plou-Gouzan L’Ic verkauft habe, gibt’s für mich keinen Fluss mehr. Und der Fluss meiner Kindheit ist nicht mehr schön. Früher war er wild, zwischen den Steinen wuchsen Gräser, und dran entlang stand eine Wand aus Geißblatt. Heute sind die Ufer betoniert, und nebenan ist ein Parkplatz.
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