Glücklich gestrandet
zum Beispiel die Tatsache, dass jemand ins Wasser gefallen ist.«
»Das stimmt, nur würde es dann vielleicht heißen: ›Mann über Bord – Maschine stopp – gewendet über Steuerbord …‹, mit einer Erklärung, welches Manöver Markus gefahren ist, um Ed wieder an Bord holen zu können.«
»Also keine großartige Lektüre?«
Tom nahm ihre sanfte Neckerei zur Kenntnis, und Dora war erleichtert, dass ihre alte Unbefangenheit zurückkehrte. »Du lernst, zwischen den Zeilen zu lesen. Logbücher können absolut faszinierend sein.«
»Gut, und wenn nun nicht das Logbuch gemeint ist? Was ist ein Log dann?«
»Es kommt von dem englischen Wort log, Holzklotz, Holzscheit. So hat man es früher gemacht, einen Holzscheit an eine sehr lange Schnur gebunden und über Bord geworfen. Nun musste man nur noch messen, wie viel Schnur in einer bestimmten Zeit ausläuft, um die Geschwindigkeit des Schiffs zu berechnen. Zur Vereinfachung wurden in festen Abständen Knoten in die Schnur geknüpft, sodass man leichter mitzählen konnte. Ein Knoten entsprach dann einer Seemeile pro Stunde.«
»Wurde denn nicht auch in ›Faden‹ gemessen?«
»Ja, aber nicht die Fahrt, sondern die Wassertiefe. Dafür verwendete man das Lot, ein Senkblei an einer langen Leine. Manchmal wurde es auch mit Wachs versehen, damit etwas von dem Meeresgrund daran hängen blieb und man sah, wie der Ankergrund beschaffen sein würde.«
Dora fand Toms erstaunlich kenntnisreiche Erklärung außerordentlich interessant.
»Und ›Ausguck‹ bedarf wohl keiner weiteren Erklärung, oder?«
»Man vertraut also alten Techniken und Tugenden, um sein modernes Schiff zu steuern. Ich wusste gar nicht, dass die Grundlagen der Navigation so altmodisch-elementar sind.«
Tom lachte. »Es gehören auch ziemlich komplizierte Berechnungen dazu, die ich hier aber glücklicherweise nicht anstellen muss. Oh, da ist Carole mit dem Tee.« Er lächelte sie herzlich an, und sie lächelte zurück. »Das ging aber schnell.«
»Jo hatte bereits welchen aufgebrüht. Ich habe ihn nur heraufgebracht. Hier.« Sie reichte Dora einen Becher, und etwas von dem Tee schwappte über ihre Hand. Glücklicherweise war er nicht allzu heiß.
»Hat Marcus sich hingelegt?«, fragte sie, während sie Toms Becher vorsichtig hinstellte. »Dann leiste ich ihm vielleicht etwas Gesellschaft.«
Sie stieß ein leises Kichern aus, und als sie nach unten ging, tauschten Tom und Dora einen gequälten Blick.
Einen Moment später kam sie zurück. »Er will nicht gestört werden«, erklärte sie wichtig. »Ich werde mir ein Glas Wasser holen.«
Dora fand, dass sie angespannt wirkte, und fragte sich, ob in den wenigen Minuten, die sie bei Marcus in der Kabine verbracht hatte, Zeit für einen Streit gewesen war.
»Ich hasse es herumzumäkeln«, meinte Tom, der nichts von Caroles Anspannung bemerkte, »aber dieser Tee ist wirklich kalt. Könnten Sie mir eine frische Tasse aufbrühen?«
Carole lächelte gewinnend. »Für Sie tue ich alles, Tom, wenn ich herausfinden kann, wie ich es anfangen muss.«
»Auf dem Gas«, zischte Dora. »Es ist ganz einfach.«
Jo war noch immer mit dem Aufräumen beschäftigt, als Carole zu ihr in die Kombüse kam. »Ich muss frischen Tee für Tom kochen«, erzählte sie. »Zumindest möchte er, dass ich es tue«, fügte sie so sanft hinzu, dass Jo es nicht ignorieren konnte.
»Oh, in Ordnung. Soll ich es für Sie erledigen?«
»Ich bin nicht dumm. Ich kann durchaus Wasser kochen.«
»Es ist nur so, dass ich gerade hier stehe.« Jo spürte ein Gefühl der Kränkung hinter dieser ein wenig streitlustigen Bemerkung. »Natürlich sind Sie eine sehr tüchtige junge Frau, Carole.« Jo wusste dies nicht mit Bestimmtheit, doch Carole hatte immerhin seit einiger Zeit Marcus’ Leben für ihn organisiert. Sie musste tüchtig sein, sonst hätte er sich nicht mit ihr abgegeben.
Carole füllte den Kessel und knallte ihn so heftig auf den Herd, dass Wasser über die Brenner schwappte. Das Gas zischte und verweigerte ihr den Dienst, als sie versuchte, es zu entzünden.
»Was ist denn los?«, erkundigte Jo sich behutsam.
»Alles! Ich wünschte, ich hätte diese grässliche Reise nie mitgemacht. Alle hassen mich. Marcus ist abscheulich. Ich wünschte nur, ich könnte nach Hause fahren!«
»Nun, das können Sie, und zwar bald. Regen Sie sich nicht auf, Carole. Niemand hasst Sie.«
»Ich glaube, Marcus schon.«
»Er hasst Sie sicher nicht.« Jos Worte kamen automatisch, aber sie
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