Glücklich gestrandet
festmachen. Die Aufregung trieb Jo schließlich doch die Treppe hinauf, gerade in dem Moment, als sie in die Schleuse einfuhren. Sie ging sofort nach draußen, denn sie wollte nicht im Weg sein oder, schlimmer noch, gebeten werden, mit anzupacken. Denn von all den nötigen Verrichtungen verstand sie nichts. Schnell trat sie neben Ed, wo sie sich sicher fühlte.
»Das ist ja gigantisch!«, sagte sie zu ihm und deutete auf die Schleuse. »Ich habe bisher nur Schleusen auf Kanälen daheim oder auf Flüssen gesehen. Im Vergleich zu dieser hier wirken sie absolut winzig.«
Ed kicherte. »Verglichen mit einigen von den Schleusen, die wir später passieren werden, ist diese hier ziemlich klein. Und ohne großen Höhenunterschied.«
Jo zwang sich, das Manöver zu beobachten, statt wieder unter Deck zu huschen. Das Problem war, dass sie müde war und aus vielerlei Gründen beunruhigt, und diese Stimmung war ein Nährboden für zusätzliche Nervosität. Sie blickte zu Marcus im Ruderhaus hinüber. Er sagte etwas ins Funkgerät und sprach dann mit jemandem auf der Schleusenmauer. Er war absolut Herr der Lage, eine Tatsache, die ihn nicht weniger attraktiv wirken ließ.
Carole war bei Tom und hielt den Fender, und er brachte sie zum Lachen. Jo konnte Dora sehen, die an einer anderen Stelle beschäftigt war. Machte es ihr etwas aus, dass sie sich nicht zu den beiden gesellen und Carole daran hindern konnte, ihr Tom vor der Nase wegzuschnappen?
Jo schüttelte den Kopf und versuchte, sich wieder der Realität zuzuwenden. Sie musste sich nach ihrer Rückkehr zu Hause unbedingt einige gute Nahrungsergänzungsmittel besorgen, etwas, das ihre elenden Hormone unter Kontrolle bringen würde. Jo wollte nicht so weit gehen, sich einer Hormonersatztherapie zu unterziehen, nicht bevor es wirklich erforderlich war, aber sie hatte viel Gutes über die Extrakte von Silberkerze, wilder Yamswurzel und Schinkenkraut gehört. Bislang war sie sehr nachlässig bei der Einnahme von Vitaminen gewesen, aber wenn sie sich in der Gegenwart eines absolut gewöhnlichen Mannes wie ein Teenager fühlte, musste sie etwas unternehmen. Sie hatte sich wohler gefühlt, als sie guten Grund gehabt hatte, ihn nicht zu mögen. Jetzt aber musste sie zugeben, dass er wieder recht nett war, und das brachte sie abermals aus der Fassung.
Plötzlich murmelte sie: »Ach, du meine Güte! Da ist eine Windmühle! Wir sind wirklich in Holland.«
Ed lachte leise. »Es sieht tatsächlich so aus wie in den Büchern, die wir alle als Kinder hatten, nicht wahr? Holland ist ein wunderbares Land. Ich mag es sehr. In etwa einer halben Stunde werden wir festgemacht haben«, fügte er hinzu. »Besteht vielleicht die Chance auf eine Tasse Tee?«
Obwohl es ein wenig kühl war, beschlossen sie, auf Deck zu essen, sodass sie sich daran erfreuen konnten, wie weit sie gereist waren. Tom half Dora und Carole, die Tische und Stühle nach oben zu bringen.
Es herrschte Feststimmung. Zum ersten Mal war Carole wirklich fröhlich, wahrscheinlich, weil sie Marcus den Laufpass gegeben hatte oder weil sie einen Beitrag zu dem Essen geleistet hatte. Marcus verbarg sein gebrochenes Herz hinter einer tapferen, entspannten Miene und schien sich vor allem über seine Leistung zu freuen. Ed war aufgekratzt von seinem Bad im Meer und ihrer erfolgreichen Ankunft. Dora und Tom gingen so freundlich wie eh und je miteinander um, obwohl Jo bemerkte, dass Dora in seiner Gegenwart nicht mehr ganz so entspannt wirkte. Und Jo – nun, sie überlegte, dass das Schlimmste vorüber war, auch wenn sie ihr Ziel noch nicht ganz erreicht hatten. Sie hatte überlebt und die Reise sogar ein klein wenig genossen.
»Das war eine gewaltige Schleuse«, bemerkte Dora, »aber es ist alles gut gelaufen, nicht wahr?«
»Auf dem Kontinent sind sie sehr tüchtig. Der Transport von Fracht über Wasser ist hier viel selbstverständlicher«, erklärte Marcus, »und in einem Land wie Holland, das über so viele Wasserwege und Flüsse verfügt, ist das auch die einzige vernünftige Lösung. Ein wunderbarer Salat, Carole«, fügte er mit einem Lächeln hinzu, das Jos Herz völlig aus dem Rhythmus gebracht hätte, hätte es ihr gegolten.
Die Frauen sahen ihn ungläubig an. Carole hatte definitiv gesagt, dass er keinen Salat mochte, und hier saß er nun und lobte ihn mit echter Anerkennung.
Carole konnte einen Moment lang nicht sprechen. »Oh. Danke.«
Versuchte er, sich wieder bei ihr einzuschmeicheln?, überlegte Jo. Hoffte er,
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