Glücklich gestrandet
»Cool!« John war nie gern einkaufen gegangen.
Während sie in einen Bus stiegen, von dem Tom ihr versicherte, dass er sie in die Oxford Street bringen würde, fragte Dora sich einmal mehr, was er für sie empfinden mochte. Sie hatte eindeutig manchmal das Gefühl gehabt, dass er mehr als eine gute Freundin in ihr sah, doch er hatte nie irgendetwas unternommen. Gelegentlich wünschte sie sich sehr, mehr wie Carole zu sein. Carole hätte inzwischen die Initiative ergriffen, davon war Dora überzeugt. All die Zeit auf dem Festival, und sie hatte ihm nicht einmal einen Arm um die Taille gelegt. Andererseits war ein überbelegtes Vier-Mann-Zelt wohl auch kaum der geeignete Ort, um einen Mann zu verführen. Sie kicherte bei dem Gedanken und musste aus dem Fenster des Busses blicken, damit Tom es nicht sah.
»Könnten wir die ganze Sache nicht überspringen und uns einfach eine schöne Zeit machen?«, wollte sie ein wenig später wissen, als sie die Oxford Street entlangfuhren.
»Komm schon, Dora! Wo ist das schneidige Mädchen, das mir geholfen hat, Ed zu retten? Es sollt ein Kinderspiel für dich sein, allein in einem Restaurant zu essen.«
Sein Lob wärmte sie für einen Moment. »Du bist so herrisch!«
»Nein, bin ich nicht, ich bin dein Mentor.«
Sie verzog das Gesicht. »Das ist lediglich das politisch korrekte Wort für einen herrischen Menschen.«
Er zuckte die Schultern und legte den Kopf leicht schräg, und ein Grinsen bescherte ihm ein Grübchen in einem Mundwinkel. Er war viel attraktiver, als ihm guttat, befand Dora. Dabei sollte ich mich eher um mein eigenes Wohl sorgen, dachte sie dann. Es hatte keinen Sinn, ein Auge auf jemanden zu werfen, der einen als eine Art kleine Schwester betrachtete.
»Ich wünschte, du hättest mich etwas Eleganteres kaufen lassen«, sagte Dora entrüstet. Sie standen vor einem sehr vornehmen Hotel in Mayfair. »In diesem Aufzug kann ich da unmöglich reingehen!« Schon gar nicht allein. Und selbst wenn Tom sie begleitet hätte, hätte es nicht viel geholfen.
»Doch, du kannst, du siehst gut aus. Wie dem auch sei, es ist ein Teil der Mutprobe. Halt einfach den Kopf hoch und frag nach deinem Tisch. Er ist auf meinen Namen reserviert.«
»Ich habe nicht geglaubt, dass ich das jemals wieder sagen würde, aber ich brauche meine Mum!«
Tom lachte, und dies gab ihr den Mut, den sie brauchte. Schließlich war es nicht wirklich gefährlich; sie würde lediglich vor Scham sterben.
»Wenn man mich auf die Straße setzt, Tom Watkins, werde ich dir etwas Schreckliches antun«, erklärte sie und ging die Treppe hinauf und durch die Tür, die ein Portier in einer sehr raffinierten Uniform für sie aufhielt.
Unverzüglich stürzte sich ein schöner junger Mann auf sie. »Kann ich Ihnen helfen, Mademoiselle?«, fragte er mit einer zutiefst erotischen Stimme.
»Ähm – ich habe einen Tisch reserviert – auf den Namen Watkins.«
Der junge Mann blickte in sein Buch. »Ah, ja, folgen Sie mir, bitte.« Er trug einen Frack, gestreifte Hosen und eine Weste. Er war, befand Dora, nach allgemeinen Maßstäben absolut zum Anbeißen.
Er zog Dora einen Stuhl heran, breitete eine Serviette auf ihrem Schoß aus und reichte ihr eine Speisekarte. »Zu dem Tee gehören Sandwiches, Scones mit Marmelade und Sahne und eine Auswahl von Kuchen. Welche Art von Tee bevorzugen Mademoiselle?« Er spulte neben vertrauten Sorten eine Liste von Tees herunter, die auch mehrere Souchongs und Oolongs enthielt.
»Earl Grey«, antwortete sie schließlich.
»Gewiss.« Er verbeugte sich und ließ sie allein.
Dora, die mit der ganzen Situation besser zurechtkam, als sie erwartet hatte, besah sich ihre Umgebung. Irgendwo spielte jemand melodisch, aber unsichtbar Klavier. Die Säulen im Raum waren mit Girlanden von Blumen und gelegentlichen Vögeln bemalt, ein Thema, das sich auch auf den Vertäfelungen befand, in die in regelmäßigen Abständen Spiegel eingelassen waren. Sie konnte sich selbst sehen, wie sie ziemlich steif auf ihrem Stuhl saß, und entspannte ihre Schultern ein wenig. Es herrschte ziemlicher Andrang, stellte sie jetzt fest, und sie fragte sich, ob es für Tom schwierig gewesen war, einen Tisch zu bekommen. Nicht alle Gäste waren elegant gekleidet.
Wäre sie nicht allein gewesen, hätte sie sich in ihrer neuen, aber lässigen Hose und dem T-Shirt mit V-Ausschnitt nicht so schrecklich deplatziert gefühlt. Doch wenn sie gewusst hätte, wohin diese Mutprobe sie führen würde, hätte sie sich
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