Glücklich gestrandet
»Wir werden dich zur hinreißendsten Menopausen-Anwärterin auf dem Planeten machen.«
»Ich wusste gar nicht, dass du solche Worte kennst«, bemerkte Jo und wünschte, ihre Tochter wäre nicht gar so gut informiert gewesen.
Einen Tag später standen Karen und Jo vor dem Laden in Knightsbridge. Draußen war ein Sicherheitsmann postiert.
»Sieh nur«, flüsterte Jo, »sie überprüfen, ob man vornehm genug ist, hier seine BHs zu kaufen, und ich bin es nicht!«
»Du siehst großartig aus! Du hast dir das Haar machen lassen, und diese Strähnchen sind wirklich super. Keine Spur von Grau mehr, und nach dieser Gesichtsbehandlung und dem Solarium-Besuch sieht deine Haut einfach fabelhaft aus.«
Jo musste zugeben, dass sie sich wieder erheblich menschlicher fühlte. Sie konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob Marcus die neue, verbesserte, weniger wildwüchsige Joanna gefallen würde.
»Komm, Mum«, drängelte Karen.
»Aber meine Unterwäsche …«
»Ist in Ordnung. Schließlich wirst du deinen BH ausziehen.«
»Warum kommst du nicht mit rein?«
»Viel zu teuer für mich, Mum. Wir treffen uns hier in einer halben Stunde. Wenn du früher fertig bist, ruf mich an.«
Jo lächelte den Sicherheitsposten tapfer an und ging in den Laden. Eine gut gekleidete Frau in den Fünfzigern fragte sie, ob sie schon einmal da gewesen sei, wobei sie davon ausging, dass die Antwort nein lauten würde. War das so offenkundig?, fragte sich Jo und schüttelte den Kopf. Dann wurde sie zu der Theke geleitet, wo schon einige Kunden warteten.
»Ziehen Sie bitte eine Nummer und warten Sie, bis man Sie aufruft«, bat die Frau, die ein Designerkostüm trug.
»Was, wie an der Käsetheke?«, entfuhr es Jo.
Die Frau lächelte – schwach. »Das ist richtig, wir haben ein System … Aber da wir im Moment nicht viel zu tun haben, wird diese junge Dame Ihnen helfen.«
Jo folgte ihr, wobei sie sich so fühlte, als hätte sie einen unangenehmen Zahnarzttermin vor sich.
»Hier hinein, bitte, Madam.«
Jo konnte nicht umhin, das signierte Foto an der Wand zu bemerken. Es zeigte die junge Queen mit ihrem Mann, ihren Kindern und den Corgis. Prinz Philip sah besonders umwerfend aus. Der Umstand, dass sie auf sie hinabblickten, stärkte Jos Selbstbewusstsein nicht gerade.
»Entkleiden Sie sich bis zur Taille, Madam, und ich werde sehen, welche Größe Sie benötigen. Wir benutzen hier keine Maßbänder.« Die junge Frau stammte aus einem mitteleuropäischen Land, das vermutlich ein Polizeistaat gewesen war. Jo trug ein Kleid und zog sich gehorsam aus.
Die junge Frau musterte ihren Oberkörper. Jo war immer ziemlich zufrieden mit ihren Brüsten gewesen, aber jetzt fragte sie sich, ob sie wohl überdurchschnittlich asymmetrisch waren oder ob man Marcus’ Fingerabdrücke vielleicht noch darauf sehen konnte. Sie nahm die Schultern eine Spur zurück. Irgendwann würde sie Karen von Marcus erzählen müssen.
»Warten Sie hier, ich komme zurück.«
Obwohl sie allein war, verschränkte Jo die Arme vor den Brüsten, da sie vor dem Foto der Queen stand. Alles andere wäre ihr respektlos erschienen. Während sie wartete, wanderten ihre Gedanken zu ihrer Tochter. Natürlich war Karen jetzt erwachsen, doch Jo spürte, dass sie sich wirklich wünschte, ihre Eltern würden wieder zusammenkommen. Welches Kind würde sich das nicht wünschen, ganz gleich, wie alt es war? Doch selbst wenn es Samantha nicht geben würde, würde Jo das jetzt nicht mehr wollen, begriff sie plötzlich. Und sie würde diese Neuigkeit Karen so sanft wie möglich beibringen müssen.
Die Frau kehrte zurück, den Arm behängt mit BHs. »Welche Farbe hätten Sie gern?«
Jo probierte einen schwarzen an. Ihr Schlüpfer war schwarz. Vielleicht war es da gut, die gleiche Farbe zu wählen. Der BH saß furchtbar stramm.
»Welche Größe ist das?«, erkundigte Jo sich. Als sie die Antwort erhielt, musste sie einige Male tief durchatmen.
Die junge Frau ließ sich jedoch nicht beirren. Sie zerrte an den Riemen und hob Jos Brüste ein wenig weiter himmelwärts.
»Jetzt sehen Sie.«
Jo sah. »Wow«, murmelte sie, und dann: »Wo ist mein Dekolleté?« Wo sie gewohnt war, einen tiefen Schatten zu sehen, befand sich jetzt ein klaffendes Loch, groß genug, wie es schien, für einen kleinen Stein.
»Sie haben ein natürliches Dekolleté«, erklärte die Frau. »Ziehen Sie Ihr Kleid wieder an und schauen Sie, wie es aussieht.«
Es sah, wie Jo zugeben musste, fabelhaft aus. »Oh, meine Güte, den muss
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