Gluecklich, wer vergisst
war zu verkrampft und jammerte wegen meines wehen Knies.
Jan missverstand die leisen Töne, die ich von mir gab. Er beeilte sich, half mir gleich danach aus dem Wagen und reichte mir meine feuchten Sachen. Er zitterte am ganzen Körper, als er in seine Hose schlüpfte und sein Hemd zuknöpfte.
Mit dem nassen Haar und dem hängenden Schnurrbart ähnelte er einem Seehund. Ich hatte Mühe, ernst zu bleiben, als ich ihm anbot, bei mir im Schloss zu übernachten. „In diesen klitschnassen Klamotten lass ich dich nicht zurück ins Hotel fahren.“ Er nahm die Einladung dankbar an.
Zum Glück gab es an diesem Abend warmes Wasser in meinem Bad. Als wir zu zweit in der großen Wanne lagen und uns gegenseitig abschrubbten, sagte ich lachend: „Was sind wir nicht für alte Idioten. Hier hätten wir es wahrlich gemütlicher gehabt.“
Er betrachtete meine Worte als Aufforderung, es gleich noch mal miteinander zu machen. Ich stieß seine Hände weg und jagte ihn ins Bett, kuschelte mich aber unter der Decke eng an ihn, umschlang ihn mit meinen Armen und Beinen und hoffte, dass sein Zittern bald aufhören würde. Trotz des heißen Bades schien er nach wie vor zu frieren.
Wir verbrachten eine sehr unruhige Nacht miteinander. Das Bett war viel zu schmal für zwei Erwachsene. Jedes Mal, wenn er sich umdrehte, wachte ich auf und drehte mich ebenfalls um. Obwohl wir fast aufeinander lagen, versuchte er nicht, mich noch einmal zu verführen. Auch ich sehnte mich nur mehr nach Schlaf. Zum Glück schnarchte er kaum.
Sommer 1979
Der Konzertsaal befindet sich unten im linken Trakt des Schlosses.
„Eigentlich sieht dieser Raum genauso unbenutzbar aus wie die Räume in den oberen Stockwerken“, sagt Victor.
„Von der Renovierung ist tatsächlich nicht viel zu bemerken“, gibt Gisela ihm recht.
„Diese Kammermusikabende sind auch keine Konkurrenz für die Konzertabende im Rittersaal von Schloss Kammer“, lästert Victor weiter.
Joe, die mit ihren Eltern den leeren Saal besichtigt, sieht ihren Vater verwundert an.
„Walpurga schafft es in den Sommermonaten, immerhin dreißig bis vierzig Leute pro Abend ins Schloss zu locken“, sagt Gisela. „Ich bin gespannt, wie viele Leute heute kommen werden.“
Am Abend zieht eine Gewitterfront übers Salzkammergut. Als die ersten Besucher eintreffen, ist der Himmel bereits schwarz.
Während Beethovens Mondscheinsonate geht es dann richtig los. Die hohen Fenster werden von wilden Blitzen hell erleuchtet. Der Hagel prasselt an die dünnen Scheiben. Donnergrollen übertönt die sensible Musik. An einigen Stellen der Decke fällt der Verputz runter.
Plötzlich gehen alle Lichter aus. Die Fackeln an den Wänden erzittern, spenden nur mehr notdürftig Licht. Unheimliche Schatten, verzerrte Fratzen und verrenkte Körper erscheinen auf den weiß getünchten Wänden. Einige Gäste verlassen trotz des Hagels fluchtartig den Saal. Die Musiker hören zu spielen auf.
Trotzdem besteht Philip Mankur, wie an jedem Konzertabend, darauf, zuletzt ein Lied zum Besten zu geben. Joe und Franzi schließen eine Wette ab, welches der Lieder, die er noch im Repertoire hat, Philip singen wird. An diesem Abend lässt es sich Philip, trotz der bröckelnden Mauern und der Massenflucht der Gäste, nicht nehmen, „Ach, wie so herrlich zu schauen sind all die reizenden Frauen“ aus „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß zu trällern. Als Zugabe schmettert er dem flüchtenden Publikum eine Arie aus Kálmáns „Zirkusprinzessin“ nach. Als Philip bei „kommt, kommt, ihr holden Frauen“ angelangt ist, krümmen sich Franzi und Joe vor unterdrücktem Gelächter. Selbst Albert, der nach dem Kurzschluss mit einer Taschenlampe in den Saal geeilt ist und jetzt hinter ihnen steht, kann sich nicht mehr beherrschen. Beim zweiten Refrain laufen sie zu dritt lachend aus dem Konzertsaal.
Albert lädt sie in sein Zimmer ein. Öffnet eine Flasche Wein und dreht sogar einen Joint für sich und die beiden Mädchen. Sie hören gemeinsam Musik von Cream, Emerson, Lake and Palmer und The Clash. Trinken Wein und teilen den Joint.
Joe scheint rundum glücklich zu sein. Summt: „Don’t bogart that joint, my friend …“ und kichert vergnügt, als Albert zum Plattenspieler eilt und die Filmmusik von „Easy Rider“ auflegt.
Als das Gewitter endlich vorbei ist, schlägt Joe vor, schwimmen zu gehen. „Der See ist nie so warm wie nach einem Gewitter, behauptet zumindest eure Mutter. Außerdem liebe ich es, nachts auf
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