Gluecklich, wer vergisst
den See hinauszuschwimmen.“
Franzi zieht ein langes Gesicht. „Ich würde lieber einen zweiten Joint rauchen“, sagt sie.
Joe gibt nicht nach. „Einmal mit euch beiden abends am See …, davon habe ich in den letzten Monaten oft geträumt.“
„In zehn Minuten treffen wir uns vor der Scheune. Wir nehmen Mamas Auto“, sagt Albert.
Franzi und Joe gehen sich umziehen. Schlüpfen in ihre Bademäntel und warten vor dem überdachten Garagenplatz bei der Scheune auf Albert.
Das Gewitter hat sich an den Traunsee verzogen. Die ersten Sterne zeigen sich am Himmel. Joe friert, will es aber nicht zugeben. Zappelt nervös herum.
Sie warten eine Viertelstunde. Dann verlässt Franzi die Geduld. „Sein akademisches Viertel ist vorbei“, sagt sie. „Ich schau mal, was mit ihm los ist. Du wartest hier.“
Auch Franzi kommt nicht wieder. Joe wartet noch eine Viertelstunde. Ihre Finger und ihre Füße sind klamm. Sie zittert am ganzen Körper. Nach weiteren fünf Minuten hat sie es satt, auf diese unzuverlässigen Welschenbachs zu warten, und geht auf ihr Zimmer.
13. Kapitel
Was für ein schöner, fast nebelfreier Tag! Ein paar spinnwebenartige Wolken zogen über den Laubwald unterhalb der Terrasse. Trotz des herrlichen Morgens wollte ich nicht aufstehen. Ich spürte alle meine Glieder. Serner war ebenfalls vollkommen gerädert. Er hatte seit Jahren Probleme mit seinen Bandscheiben. Nach unseren nächtlichen Sexspielen tat ihm das Kreuz schrecklich weh. Er konnte weder sitzen noch stehen, ohne das Gesicht schmerzvoll zu verziehen. Ich verspottete ihn, gab aber nicht zu, dass ich ebenfalls Rücken- und vor allem Knieschmerzen hatte. Wir waren eben beide zu alt für solch jugendliche Leidenschaft.
Etwas schuldbewusst küsste ich seine zerkratzte Brust, als uns das laute Klingeln der Türglocke aufschrecken ließ. Rasch schlüpfte ich in meine Jeans und zog ein langärmliges T-Shirt über. Jan eilte mit offener Hose und verknittertem Hemd hinter mir her.
Walpurga hatte Gustav inzwischen in den Salon geführt. Sein Besuch in aller Herrgottsfrüh bedeutete sicher nichts Gutes.
Unsere Begrüßung fiel kurz und etwas verlegen aus. Er sah mir nicht in die Augen, sondern starrte auf meine Brüste, die sich deutlich unter dem engen Shirt abzeichneten. Gustav dürfte mittlerweile kapiert haben, dass ich mit Jan liiert war. Die beiden Männer verstanden sich blendend.
Es war offensichtlich, dass Gustav mit Jan allein sprechen wollte. Demonstrativ blieb ich mit meinem Kaffee in meinem Lieblingsfauteuil beim Kamin sitzen und verwickelte sie in eine lockere Plauderei.
Jan verlor als erster die Geduld. „Joe, würdest du uns bitte einen Augenblick allein lassen?“
Ich sah Gustav fragend an. Er blickte zu Boden.
„Warum sagt ihr nicht gleich, dass ich euch störe.“
Grinsend eilte ich hinaus und hinauf in Franzis Zimmer. Dort gab es einen Platz, von dem aus man die Gespräche der Leute unten im Salon wunderbar belauschen konnte. Franzi und ich waren abends oft stundenlang hier gehockt und hatten den Erwachsenen zugehört.
Kaum hatte ich ihr Zimmer betreten, schreckte ich zurück.
Die Veränderungen, die sie in ihrem Zuhause vorgenommen hatte, waren minimal. Das Zimmer war mit fernöstlichem Tand, indischem, japanischem und chinesischem Kitsch dekoriert. Die Wände waren zugekleistert mit Posters von Rockstars, alten Fotos und Regalen voller Jugendbücher. Vor allem die unzähligen Stofftiere erinnerten mich zu sehr an das Jungmädchenzimmer von einst. Mich irritierte, dass Franzi als fünfundvierzig Jahre alte Frau in so einem Raum leben konnte.
Am Kopfende des Bettes thronte Franzis einäugiger, ziemlich glatzköpfiger Teddy namens Maxi. Als Kind war sie nie ohne Maxi ins Bett gegangen. Wuschelige Lämmchen, eine süße Robbe und ein herziges einarmiges Äffchen saßen in trauter Eintracht auf der Kommode. Ein schwarzer Panther, einige Mäuse in diversen Größen und ein sehr harmlos aussehender Löwe beanspruchten Sessel und Sofa für sich. In der Ecke, neben dem offenen Kamin, hockte ein über einen Meter großer Eisbär. Er stammte vom Schörflinger Kirtag. Philip hatte ihn einst am Schießstand gewonnen und ihr geschenkt. Franzi hatte ihn nach ihrem Bruder Albert getauft.
Schon mit vierzehn hatte ich Franzis Privatzoo unpassend gefunden. Sie hatte damals das Bett mit einigen dieser Schmusetieren geteilt, ihnen all die Wärme und Zärtlichkeit gegeben, die sie selbst zu Hause vermisst hatte. Wenn ich meine Freundin
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