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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Salon geeilt sind.“
    Am liebsten hätte ich Jan in diesem Moment geküsst. Er war eben doch ein guter Bulle.
    Franzi schien es die Sprache verschlagen zu haben. Sie schwieg, starrte Jan und mich abwechselnd böse an.
    „Ich würde gern mehr über Ihre Beziehung zu Ihrem Bruder wissen“, sagte Jan.
    „Darüber gibt es nicht viel zu sagen“, antwortete sie trotzig. „Albert ist etwas exzentrisch. Er funktioniert nicht so wie andere Menschen, er ist viel komplizierter – das kann Joe Ihnen besser erklären als ich“, fügte sie zynisch hinzu. „Aber vielleicht sollten Sie dieses ganze Psycho-Zeugs einfach vergessen. Albert hat Philip nicht ermordet, das weiß ich, und damit basta.“
    „Also haben doch Sie Ihren Stiefvater …?“
    „Nein!“
    Jan blickte mich hilfesuchend an. Ich räusperte mich und stellte die für mich alles entscheidende Frage: „Und damals im Bootshaus?“
    Sie gab mir keine Antwort, schloss die Augen und atmete so leise, als schliefe sie.
    „Wer hat dich damals vergewaltigt? Bitte sag es mir. Es ist wichtig. Wichtig für dich. Womöglich wirst du des Mordes an Philip angeklagt werden. Missbrauch, auch wenn er lange zurückliegt, könnte dir zu einer milderen Strafe verhelfen.“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Wer war es? Der Braunsperger?“, fragte ich. „Oder gar der Herr Pfarrer? Es war ein erwachsener Mann.“
    „Ach Joe, lass es gut sein. Was du damals gesehen hast, hat mit dem Mord an Philip nichts zu tun. Du wirst unsere Familie nie verstehen. Du kannst bei uns nicht dieselben Maßstäbe anlegen wie bei anderen Leuten. Wir sind eben alter Adel.“
    Ich war nahe daran, sie zu erinnern, dass wir beide denselben Vater hatten.
    „Joe hat recht. Sie könnten wegen des Missbrauchs mildernde Umstände geltend machen“, warf Jan ein.
    Franzi antwortete in herablassendem Ton: „Glauben Sie, was Sie glauben wollen, oder was Ihnen meine liebe Schwester eingeredet hat.“
    Bei dem Wort „Schwester“ krampfte sich mein Magen zusammen. Doch ich behielt die Contenance, lächelte nur verlegen.
    „Ja, grins nur blöd aus der Wäsche. Du bist ja nicht vergewaltigt worden. Wenn du wüsstest, wer mir das damals angetan hat, würde dir dein Grinsen vergehen.“
    Jan und ich waren sprachlos.
    Ich musste schon seit einer Viertelstunde dringend auf die Toilette und nutze nun das betretene Schweigen, um mich kurz zu verabschieden. Die paar Minuten auf der Toilette erschienen mir wie eine Ewigkeit. Was hatte sie mir sagen wollen? Wer hatte sie missbraucht? Victor! Nein, das konnte nicht sein. Mein Vater war kein Päderast! Nein, nein, nein!
    Ich erbrach die Käsekrainer in der Toilette des Gefängnisses. Bevor ich in den Besucherraum zurückkehrte, wusch ich mir das Gesicht und steckte ein Pfefferminzbonbon in den Mund. Franzi erhob sich gerade von ihrem Stuhl, reichte Jan die Hand und sagte: „Es hat mich sehr gefreut, Herr Major. Und es hat mir gut getan, mit Ihnen zu reden. Ich hoffe, wir werden uns demnächst bei einem erfreulicheren Anlass wiedersehen.“
    Als sie mich erblickte, sagte sie spöttisch: „Mach’s gut, Schwesterlein. Und halt dir diesen Knaben warm. Schlepp ihn bald zum Traualtar. In unserem Alter ist es nicht mehr so einfach, ein passables Mannsbild zu finden.“
    Sommer 1979
    Pünktlich zu Maria Himmelfahrt kommt der Regen. Ein echter Salzburger Schnürlregen ist harmlos, verglichen mit diesem Dauerregen im Salzkammergut. Der Sommer ist vorbei, behaupten die Einheimischen. Auch meine Eltern reden nur mehr über das kommende Schlechtwetter. Ihr Pessimismus ärgert mich maßlos .
    Der Abschied vom Sommer bedeutet für mich Abschied von meiner besten Freundin, Abschied von meiner großen Liebe und Abschied von meinem geliebten See .
    Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Der trübe Himmel erlaubt keine Abende im Freien mehr. An manchen Abenden wird im Schloss sogar das Feuer in den Kaminen entfacht .
    Meine Eltern und die Mankurs spielen abends meistens Bridge im Salon. Es scheint sie nicht die Bohne zu interessieren, dass wir uns langweilen. Da wir Ausgehverbot haben, nicht einmal ins Kino gehen dürfen, haben Franzi und ich beschlossen, heute ein letztes Mal im Bootshaus zu übernachten .
    Joe schließt ihr Tagebuch. Versteckt es unter der Matratze ihres Bettes. Schlüpft in ihren Trainingsanzug und geht rüber zu Franzi. Sie packen Schlafsäcke, Luftmatratzen und Pullover in große Seesäcke. Schleichen sich dann in die Küche.
    Die alte Kathi ist gerade am

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