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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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seiner Widersprüchlichkeit zu beschreiben.
    „Er war ein typischer Quartalsäufer. In seinen nüchternen Phasen konnte er durchaus unternehmungslustig und witzig sein. Manchmal spielte er sogar stundenlang mit uns Kindern. Allerdings bevorzugte er sadistische Spielchen. Sekkierte uns mit doofen Mutproben. Soweit ich mich erinnere, war er aber recht nett zu Franzi, als sie klein war. Er kaufte ihr alles Mögliche und blödelte viel mit ihr. Franzi wollte ihm natürlich gefallen, bestand fast alle Mutproben, wurde ein sehr tapferes Mädchen. Im Gegensatz zu mir. Ich war schon als Kind ängstlich.“
    Jan streichelte meine Hand und sagte lächelnd: „Du und ängstlich? Das kannst du jemand anderem erzählen.“
    „Nichts als Kompensation. Aber es geht jetzt nicht um mich. Als Franzi in die Pubertät kam, begann Philip, sie mehr oder weniger zu ignorieren. Hin und wieder ließ er seine Wut an ihr aus, meistens kümmerte er sich aber nicht um sie. Verständlicherweise hörte Franzi bald auf, ihren Stiefvater anzuhimmeln. Sie machte sich lustig über ihn, wenn er betrunken war. Damals ist es passiert …, hat er sich an ihr vergangen“, sagte ich zögernd.
    Ich war mir längst nicht mehr sicher, dass tatsächlich Philip sie vergewaltigt hatte, und Jan hatte den Zweifel in meiner Stimme bemerkt.
    „Du hast damals im Bootshaus nur einen männlichen Arsch gesehen?“
    „Ja. Aber wer sollte es sonst gewesen sein? Ich glaube, Franzi lügt. Borderline-Patientinnen sind meistens perfekte Lügnerinnen. Auch ich bin bei unserem ersten Gespräch auf ihre Geschichten reingefallen, erst wenn … “
    Als die Kellnerin an unseren Tisch kam, brach ich abrupt ab.
    „Red weiter“, bat mich Jan, nachdem wir bestellt hatten.
    Ich wollte ihm meinen neuesten Verdacht nicht mitteilen. Es erschien mir selbst so ungeheuerlich, so völlig absurd, dass mein Vater damals … Diesen Gedanken konnte ich keine weitere Sekunde ertragen. Rasch wechselte ich das Thema.
    „Hast du die vielen verblassten Narben auf Franzis Unterarmen gesehen? Sie hat sich als junges Mädchen oft geschnitten, um wenigstens für ein paar Sekunden die Kontrolle über einen tieferliegenden Schmerz zu gewinnen und um sich endlich mal selbst zu spüren. Anschließend hat sie immer völlig ungerührt zugesehen, wie das Blut runtertropfte, während ich jedes Mal ausgeflippt bin, wenn ich ihr dabei zusah. Sie führte sich auf, als ob sie ihr Leiden nichts anginge. Den Zorn auf diejenigen, die ihr all diesen Schmerz angetan haben, hat sie völlig verdrängt. Aber sie hat sich nicht nur geschnitten, sie war auch anorektisch, obwohl sie im Grunde ein molliger Typ war.“
    „Anorexie, Selbstverstümmelung, Missbrauch …“
    „Du sagst es. Sie fühlte sich, so wie wir alle in diesem Alter, einsam und unverstanden. Aber sie war völlig unfähig, damit umzugehen. Wenn der Schmerz zu groß wurde, um ihn zu ertragen, hat sie sich eben selbst verletzt. Wenn Philip oder Walpurga sie misshandelten, redete sie sich ein, dass sie es verdient hatte. Schließlich war sie eine notorische Lügnerin, ein schlimmes, freches Kind. Später hoffte sie, wegen ihres guten Aussehens geschätzt zu werden. Sie fühlte sich wertvoller, wichtiger. War selbstbewusst mit fünfzehn. Aber es war ein sehr trügerisches Selbstbewusstsein. Als sie schwanger wurde, hoffte sie vielleicht, sich durch ein Kind endlich selber spüren zu können.“
    „Sie wurde nach einer Vergewaltigung schwanger“, sagte Jan empört.
    „Ich weiß. Trotzdem vermute ich, dass ihr die Schwangerschaft kurzfristig sogar über dieses schreckliche Erlebnis hinweggeholfen hat. Endlich kümmerten sich alle um sie, endlich stand sie mal im Mittelpunkt …“
    „Das ist pervers. So kaputt kam sie mir heute nicht vor“, unterbrach Jan sie.
    „Du hast dich von ihrer Maske täuschen lassen. Du bist auch nur ein Mann“, sagte ich lächelnd und fuhr ernsthaft fort: „Walpurga hat meiner Freundin ihren Widerspruchsgeist, ihre Versuche, selbständig zu werden, buchstäblich aus dem Leib geprügelt. In späteren Jahren hat Franzi die Prügel locker weggesteckt. Schläge waren genau das, worauf sie es abgesehen hatte. Sie provozierte ihre Mutter so lange, bis sie endlich zuschlug. Verstehst du, was ich meine?“
    „Ein Art Beziehungsangebot?“
    „Ja. Und als sie zu alt war für Prügel, hat sie sich mit Drogen und Alkohol selbst fertig gemacht.“
    „Und was für eine Rolle spielte Philip in diesem Drama?“
    „Philips sogenannte

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