Glückliche Ehe
Enrique überhaupt mit mir zusammen sein will. Lieber geht er mit unserer Freundin Lily aus und hört sich ihre Männerkatastrophen an –«
Wovon redet sie?, fragte sich Enrique. Lily ist so gut wie verlobt, da gibt es keine Männerkatastrophen mehr.
»Gleich nachdem wir zusammengezogen sind, hat er ein ganzes Jahr lang jede Nacht bis in die Puppen in einem Backgammon-Club gespielt und den ganzen Tag geschlafen, so dass ich ihn überhaupt nicht gesehen habe.«
»Ich hab damit aufgehört!«, quiekte Enrique, als wäre er im Stimmbruch. »Das war vor sechs Jahren. Als wir noch nicht mal verheiratet waren.«
»Er hat damit aufgehört, weil ich gedroht habe, ihn zu verlassen.« Obwohl sie Enrique immer noch nicht ansah, hielt sie lange genug inne, um zu demonstrieren, dass er dem nicht widersprechen konnte. »Da ist immer irgendwas, was er lieber tut, als mit mir zusammen zu sein«, nahm sie ihre Anklage wieder auf. »Wenn wir allein zu Hause sind, bleibt er ewig auf und sieht fern. Er geht nie mit mir ins Bett –«
»Ich bin noch nicht müde, und du willst ja nie mit mir schlafen. Was soll ich denn machen? Daliegen und ins Dunkel starren?«
Margaret lächelte immer noch breit, aber ihre Stimme wurde lauter und schriller. Sie klang jetzt wie ihre Mutter, wenn diese das Gespräch an der langen, vollbesetzten Passah-Tafel zu dominieren versuchte. »Ich habe das Gefühl, das ist alles, was Enrique von mir will. Sex. Wenn er reden will, ruft er Porter oder seinen Bruder oder seinen Vater an. Und mit Lily redet er auch lieber als mit mir.« Goldfarb zog die Augenbrauen hoch, als der Name Lily das zweite Mal fiel. Margaret erklärte: »Sie ist meine beste Freundin. Enrique telefoniert stundenlang mit ihr, um sich Ratschläge wegen seiner Karriere zu holen –«
»Lily ist Lektorin, ich bin Schriftsteller –«, setzte Enrique an, aber Margaret sprach einfach weiter.
»Es gibt nichts, was er gern mit mir machen würde. Mir fällt jedenfalls nichts ein. Er will nie irgendwo mit mir hingehen, nur wir beide allein. Und wenn wir dann schließlich doch auf eine Party gehen – er will nie, nie irgendwohin –, lässt er mich sofort stehen und redet mit anderen Leuten. Er isst jeden Tag mit seinen Freunden zu Mittag und erzählt ihnen alles. Seine Eltern sind ständig da, und mit ihnen redet er immer gern. Sie sind tolle Babysitter, und ich habe wirklich nichts dagegen, dass sie da sind, aber ich habe das Gefühl, dass er zu seinen Eltern ein engeres Verhältnis hat als zu mir. Ich glaube nicht, dass er irgendetwas mit mir machen will oder mit mir reden will oder sich dafür interessiert, was ich über irgendwas denke. Er will nur mit mir vögeln, das ist das Einzige, was ihn interessiert.«
Vor Wut und Scham war Enrique sprachlos. Ihre Darstellung der Fakten empörte ihn. Inwieweit er die Fakten selbst bestreiten konnte, stand auf einem anderen Blatt. Natürlich wollte er nach sieben Jahren Zusammenleben nicht mehr jede Minute mit ihr verbringen. Natürlich war er gern mit Freunden und mit seiner Familie zusammen und redete dann auch gern darüber, was in ihm vorging. Natürlich wollte er Sex mit seiner Frau und nicht mit seinem Vater. Er war Margaret gegenüber absolut loyal, dachte er und vergaß für den Moment, dass er eine Affäre mit einer ihrer besten Freundinnen hatte. Er wollte widerlegen, was sie da sagte. Er wollte geltend machen, dass sie schon seit Jahren nicht mehr genug Sex hatten und dass er diesen Entzug nahezu klaglos hingenommen hatte. Er war viel geduldiger gewesen als beispielsweise sein Halbbruder, der ständig in der Gegend herumvögelte, nicht nur einmal in sieben Jahren. Aber um dieses Argument vorzubringen, hätte er eingestehen müssen, dass er eine Affäre hatte. Also starrte er nur denPsychiater an und hoffte, dass der ihr den Kopf zurechtrücken würde.
»Margaret«, begann der ernste Analytiker. Sie nickte eifrig, auf der Stuhlkante sitzend wie eine aufmerksame Studentin. »Sie wissen sehr genau, was Sie fühlen. Und Sie haben es sehr klar formuliert. Aber eins erstaunt mich« – aha, dachte Enrique mit einer gewissen Befriedigung, jetzt wird er ihr klarmachen, wie irrational sie ist –, »Sie sagen all diese Dinge über Ihre Gefühle mit einem strahlenden Lächeln und so freudig, als wäre das alles etwas Positives. Warum? Das ist doch alles sehr traurig. Empfinden Sie dabei keine Traurigkeit?«
Enrique sah zu ihr hinüber. Das stimmte. Ihr Partyverhalten, während sie ihr Herz
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