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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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bedeute.«
    »Was?«, blaffte Margaret, wieder mit ihrer scheltenden Lehrerinnenstimme und gefrierenden Augen. »Das ist ja lächerlich.«
    »Ich hab’s nicht gewusst«, sagte Enrique zu ihr. Sie hielt das Gesicht abgewandt. Er sah Goldfarb an. »Wirklich nicht. Ich habe das Gefühl, sie will nicht mit mir zusammen sein. Sex ist ein Problem, ja. Aber ich glaube, sie hat es einfach satt, mich über meine Karriere jammern zu hören, und …« Er zählte eine ganze Liste von Dingen auf – dass sie Porter offenbar nicht leiden konnte, dass sein enges Verhältnis zu seinen Eltern, das so anders war als ihr distanziertes zuihren Eltern, sie zu ärgern schien, dass ihr seine Verzweiflung wegen der Drehbuchschreiberei mit seinem Halbbruder auf die Nerven ging, dass sie schon seit Jahren nicht mehr mit ihm schlafen wollte, nicht erst seit Gregs Geburt.
    Von Beginn ihrer Beziehung an, erklärte Enrique dem Psychiater, habe Margaret ihn kontrollieren wollen. »Alles, was wir machen, welche Freunde wir treffen, zu welchen Partys wir gehen, ob wir Sex haben oder nicht – alles entscheidet sie.« Margaret hatte seine täglichen Gewohnheiten schon in den Jahren vor der Geburt ihres Sohns umgekrempelt, hatte darauf bestanden, dass er aufhörte, sich wie ein Kind zu benehmen, nicht bis spät in die Nacht spielte, nicht den halben Tag verschlief, seine Kleider nicht einfach auf den Boden fallen und kein Geschirr in der Spüle stehen ließ, nicht zu Hause hockte und Baseball guckte, statt rauszugehen in die Welt. Mit ihr sollte aus dem pubertierenden jungen Mann ein Erwachsener werden, und da war Kontrolle nötig. Kein Meisterdetektiv hätte diese Aussage widerlegen können. Trotzdem hatte Enrique das Gefühl, dass seine Anschuldigungen eine einzige riesige Lüge waren. In Wirklichkeit war er froh, dass sie ihn dazu gebracht hatte, erwachsen zu werden. Wie hätte er sonst je Sally dazu kriegen können, sich in ihn zu verlieben?
    Offenbar war seine Lüge überzeugend. Margaret schien glauben zu wollen, dass er schrecklich unglücklich mit seiner Arbeit war und das Gefühl hatte, sie sei seine Verzweiflung leid. Auch der Psychiater schien ihm das abzunehmen, was er über Margarets Kontrollwut sagte. Aber sich selbst konnte Enrique nichts vormachen. Die Wahrheit war, dass er sie nicht mehr liebte. Nicht sie war das Problem in ihrer Ehe. Er war es. Sie war nicht der Grund dafür, dass die Erwartungen seiner Eltern ihn schier erdrückten und die Talent- und Verantwortungslosigkeit seines Bruders ihn lähmte. Sie konnte nichts dafür, dass er zu passiv war, was seineKarriere anging, nicht so wie Porter und andere Schriftsteller, die er kannte. Sie war nicht der alleinige Grund dafür, dass sein Leben in allen Bereichen – Familie und Arbeit – unbefriedigend war. Es war nicht ihre Schuld, dass er sich nur in Sallys Armen lebendig fühlte. Wenn er der Gefängniszelle seiner New Yorker Existenz entkäme, wenn er seiner Familie, seiner beruflichen Situation, seinen eigenen Erwartungen entfliehen könnte, dann könnte er glücklich sein. Margaret und seine gesamte Vergangenheit hinter sich zu lassen und in die Sonne und das angenehme Leben von LA zu flüchten – dann würde sich alles lösen. Es wäre so simpel, so kinderleicht, wenn Greg nicht wäre.
    Dr. Goldfarb wandte sich wieder Margaret zu. »Warum wollen Sie keinen Sex mit Ihrem Mann?«, fragte er.
    »Ich will ja«, protestierte sie. »Ich bin nur nicht die ganze Zeit in Stimmung, so wie er. Und ich kann nicht einfach so vom Windelwechseln zum Blowjob übergehen –«
    »Warum nicht? Ist doch in etwa der gleiche Bereich«, sagte Enrique und lachte – allein. Sie ließ sich nicht mehr dazu herab, ihn oral zu befriedigen, wollte er sagen. Sie geizte mit ihrer Zuwendung. Das konnte doch nur bedeuten, dass sie ihn nicht mochte. Das sagte sie dem Psychiater nicht. Okay, vielleicht liebte sie ihn, aber sie mochte ihn nicht. Und er mochte sie auch nicht, noch liebte er sie. Das war die Wahrheit. Diese Ehe war ein Irrtum.
    »Ich kann das Verlangen nicht einfach anknipsen«, insistierte sie. »Da muss schon ein bisschen Romantik sein, ein bisschen Nähe.«
    »Das ist doch albern. Wir sind uns total nah«, sagte er, und während er das sagte, glaubte er selbst daran.
    »Und wie sind Sie beide als Eltern?«, wollte Goldfarb wissen, eine bizarre Frage, dachte Enrique, so unvermittelt. »Wie ist Enrique als Vater?«, fragte er Margaret.
    »Oh, er ist ein guter Vater.« Sie tat das Kompliment

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