Glückliche Ehe
gab. Er machte gute Miene und lächelte verlegen, kochte aber innerlich vor Scham und wollte beide Frauen würgen, bis sie so blaurot wurden wie die frischen Fruchtdrinks, die Margaret in dem geschmähten Geschenk zu mmm-mixen pflegte.
Im Jahr darauf machte er einen weiteren heroischenVersuch, ihr etwas zu schenken, das sie sich nie selbst kaufen würde. Sie hatte während des Urlaubs im Haus seiner Eltern in Maine wieder zu malen begonnen. Sie hatte es genossen, wie begeistert Enriques Vater über ihre beiden Felsküsten-Landschaften gewesen war. Wieder in der Stadt, behielt sie ihre neue Malleidenschaft bei und mietete zusammen mit einer Frau, die sie in einem Zeichenkurs kennengelernt hatte, einen Raum. Bei einem Besuch in diesem Atelierraum hoch über dem Unionsquare fiel ihm auf, dass sie zwei aufeinandergestapelte Kartons mit einer hochgestellten Klappe als Staffelei benutzte. Wie könnte es sie nicht freuen, wenn er da Abhilfe schuf? Er ging zu Utrecht an der Fourth Avenue, wo Margaret ihren Malbedarf kaufte, und erstand eine Holzstaffelei – teuer, aber ohne überflüssigen Schnickschnack, ein praktisches und gleichzeitig hübsches Geschenk.
Er hatte schon so eine düstere Vorahnung, als er sein Geschenk aus dem Versteck auf der Feuertreppe holte. Aus dem Keller seines Unterbewussten erreichte ihn das bislang ignorierte Flüstern eines sensibleren Enrique, dass ihr nichts Nützliches je gefallen würde. Lily und ihr zu der Zeit vielleicht doch schwuler Freund saßen bei kanadischem Kaviar und Sekt und tranken auf Margarets Wohl. Als Enrique eintrat, wandten sich ihm alle Gesichter erwartungsvoll zu. Er hatte die Reaktion der drei genau im Blick, als er da stand, die zusammengeklappte Staffelei geschultert wie ein Holzgewehr. Lily und ihr Freund klatschten und erhoben ihre Gläser, um auf seine Einfühlsamkeit und Großmut zu trinken. Margarets Gesicht wurde so lang und abweisend, als wäre er mit einer anderen Frau im Arm hereinspaziert.
Es blieb ihm jahrelang ein Rätsel, warum sie so reagiert hatte. Ihre damalige Begründung, die Staffelei sei »zu praktisch«, war nicht die Wahrheit. Als sie sich in späteren Jahren einmal offen über ihre Ehe austauschten, erklärte sie ihm, warum sie das Geschenk nicht gemocht hatte.
Obwohl das Rätsel damit gelöst war und er wusste, dass ihre Reaktion damals nichts mit seinem Geschmack zu tun gehabt hatte, traute er sich doch jetzt immer noch nicht zu, darüber zu befinden, wo sie lieber begraben werden wollte. Aber vielleicht war das ja auch gar nicht wichtig. Die Grabstellen – sowohl bei den Ahornbäumen als auch bei der Eiche – waren für bis zu drei übereinander bestattete Särge vorgesehen. Er wählte gerade ihre gemeinsame letzte Bleibe. Da er vermutlich eine ganze Weile zu Besuch hierherkommen würde, ehe man ihn zu ihr legte, war es doch wohl okay, wenn das Grab mehr seinem als ihrem Geschmack entsprach. Und wenn beides zufällig übereinstimmte – nun ja, das war eben einer der Glücksfälle der Ehe.
Er ging wieder zu den Ahornbäumen. »Kannst du dich nicht entscheiden?«, fragte Lily auf ihre immer etwas übereifrige, warmherzige Art. »Mir gefällt der Blick hier irgendwie besser«, sagte sie und postierte sich so, dass sie auf das ferne Grabmal Peter Coopers schaute, einen schimmernd weißen Tempel zwischen den junigrünen Bäumen. Sie fragte ihren nichtschwulen langjährigen Ehemann: »Was meinst du?«
»Der Blick ist toll«, sagte Paul und legte den Arm um sie. »Und Peter Cooper mögen wir doch, oder?« Sie hielten einander fest und sahen Enrique freundlich an, die Gesichter weich, die Schultern entspannt, die Köpfe fragend geneigt.
»Den Blick hat man aber von beiden Stellen«, wandte Enrique ein. »Kommt nur drauf an, wie man steht …«
»Oh«, seufzte Lily und schlug sich die Hand gegen die Wange. »Natürlich …« Ihre normalerweise so fröhlichen braunen Augen waren derzeit groß und beunruhigt, wie die Augen eines Kindes am ersten Tag in einer neuen Schule. Ihre Eltern lebten beide noch, bisher war überhaupt niemand aus ihrem engeren Umfeld gestorben, und Margaret stand ihr, so wie es nur zwischen lebenslangen Freundinnen möglich ist,näher als irgendein anderer Mensch auf der Welt. »Ich weiß nicht«, sagte die sonst so meinungsfreudige Lily. »Ich kann es nicht entscheiden. Ich kann dir nicht helfen.«
»Du bist hier. Das ist schon eine Hilfe«, sagte er und meinte es ernst. Er ging wieder zu dem Ahorn. Er versuchte, nicht
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