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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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zu ihm gesagt, die man ihm nur hätte sagen können, und er war zu ihr mehr als einmal noch grausamer gewesen. Sie hatten sich Liebe geschworen, hatten Hass ausgehalten. Als Kinder hatten sie Kinder hervorgebracht, von denen eins jetzt schon ein Mann war und das andere nur zu schnell einer wurde. Inzwischen musste Margaret doch wissen, dass er wusste, dass sie keine Diamanten mochte. Wenn er ihr trotzdem welche kaufte, weil er sich sicher war, dass die Ohrringe ansonsten genau nach ihrem Geschmack waren, musste sie doch wohl begreifen, dass er es gut gemeint hatte. Sie mochten ihr nicht gefallen und sie würde sie vielleicht nie tragen (viel Zeit blieb ihr dazu sowieso nicht mehr), aber sie konnte ja wohl kaum tief verletzt sein, wenn er es wieder einmal, wie schon während ihrer gesamten Ehe, nicht geschafft hatte, allein das richtige Geschenk für sie zu finden. Sie hatten nun mal nicht den gleichen Geschmack und wollten manchmal verschiedene Dinge voneinander, und doch hatten sie zusammen ein glückliches Leben geführt – sie musste es doch wohl verstehen.
    Er wickelte das kleine Kästchen mit den Ohrringen in das einfarbig blaue Seidenpapier, das sie so mochte, und kaufte ihr eine lustige Geburtstagskarte, die Sorte, die er immer von ihr bekam. Er war ernster als sie, deshalb schrieb er unter den lustigen Spruch: »Für das Juwel in meinem Leben.«
    »Oh-oh«, sagte sie, als sie die Karte las. Sie sah ihn an und tupfte sich die Nase, um sicherzustellen, dass sie wegen des neuen Chemo-Cocktails nicht lief. Sie lächelte matt. »Puff, du hast doch nicht einen Haufen Geld ausgegeben? Es wäre albern, jetzt noch viel Geld auf mich zu vergeuden.«
    »Sag das nicht«, sagte er.
    »Na ja«, sagte sie, während sie das Kästchen öffnete, noch immer das sparsame Mädchen aus Queens. »Ich kann es ja Gregory oder Max vererben, für ihre Frauen …« Sie verstummte, als sie die Ohrringe sah, und starrte sie einen Moment an, als ob sie nicht erkennen könnte, worum es sich handelte. Dann blickte sie auf, die Lippen leicht geöffnet, und sah ihn bass erstaunt an.
    Jetzt kommt es, wappnete er sich: die Empörung darüber, dass ich vergessen habe, wie sehr sie Diamanten hasst.
    »Endy …«, flüsterte sie. Sie nahm die Ohrringe heraus, hielt sie auf der flachen Hand und sagte: »Die sind wunderschön.« Ihn ignorierte sie völlig. Kein Kuss, kein Protest wegen des vielen Geldes, keins der üblichen Ausweichmanöver. Sie ging zu dem Spiegel, den sie in der Diele aufgehängt hatte, um sich noch einmal zu mustern, ehe sie sich der Außenwelt stellte. Sie befestigte die Ohrringe mit hochkonzentrierter Miene an ihren Ohren, betrachtete dann ihr Spiegelbild mit der Perücke und den aufgemalten Augenbrauen und drehte sich leicht hin und her. Leise wiederholte sie: »Die sind wunderschön.« Winzige, klare Tränen kullerten über ihre Wangen, vermutlich von der Chemo, sagte er sich. Er war immer noch misstrauisch, wagte es nicht, ihre Freude ernst zu nehmen. Seit ihrer Diagnose liebte undbrauchte sie ihn so sehr, dass er fürchtete, sie schone ihn nur.
    Er ging zu ihr und sagte: »Ich sage das nicht, um dir ein Kompliment abzuringen, aber ich habe vereinbart, dass ich sie zurückgeben kann, also sag’s einfach, wenn sie dir nicht gefallen.« Zu seinem Erstaunen beachtete sie ihn immer noch nicht. Die feuchten Augen unverwandt auf ihr Spiegelbild gerichtet, drehte sie wieder leicht den Kopf hin und her, um jeden Ohrring genauer zu betrachten. Er machte es ihr noch leichter, sein Geschenk zurückzuweisen, indem er hinzusetzte: »Sie haben dort noch ein Paar Ohrringe ohne Dia –«
    »Die hier sind schön!«, fauchte sie genervt. Sie sah ihn immer noch nicht an. Sie trat einen Schritt zurück und drückte ihre Perücke zurecht. »Ich finde sie wunderbar, Puff«, sagte sie inbrünstig, wirbelte herum und schlüpfte in seine Arme. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte zwischen zwei Küssen: »Sie sind perfekt. Absolut perfekt.«
    »Trotz der Diamanten?«, flüsterte er zurück und musste zwei weitere Küsse lang warten, bis sie schließlich sagte: »Sie sind toll. Danke.«
    Er glaubte ihr nicht, bis sie die Ohrringe eine ganze Woche jeden Tag trug, außer an dem Nachmittag, an dem sie zur Computertomographie fuhren. Sie habe Angst, sie zu verlieren, erklärte sie.
    Enrique war sich immer noch nicht ganz sicher, ob er diesen Sieg auch ohne ihre Krankheit hätte erringen können. Aber er sagte sich, dass er es immerhin

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