Glücksboten
eine Art Bewusstlosigkeit.
Es war eine leicht beunruhigende Erfahrung, in einem Auto zu sitzen und so tief zu schlafen, denn ab und zu wachte sie auf und hatte das Gefühl, mit hohem Tempo in die Rücklichter eines Lastwagens hineinzufahren. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Perdita jedes Mal, sie führe selbst und wäre am Steuer eingeschlafen und rase jetzt dem Tod entgegen. Dann sah sie Lucas, der ruhig und beherrscht auf dem Fahrersitz saß und eine Spur zu schnell fuhr, als dass Perdita sich hätte sicher fühlen können. Doch sein Anblick beruhigte sie, und sie nickte wieder ein.
Als Lucas sie weckte, parkten sie an einer Tankstelle auf der Autobahn. »Pipipause. Außerdem brauche ich etwas zu essen und Benzin. Komm mit.«
Es widerstrebte ihr so sehr, gestört zu werden, dass sie inbrünstig darum bat, im Wagen bleiben und weiterschlafen zu dürfen. »Ich komme schon zurecht. Ich döse einfach wieder ein.«
»Nein, sonst brauchst du eine Pause, wenn ich keine brauche. Komm und iss etwas. Gott weiß, wann wir das Ziel erreichen werden und ob es dort etwas zu essen gibt.«
Kurz darauf biss sie, ein wenig zu ihrer eigenen Überraschung, in einen Hamburger mit allem Drum und Dran. Er war erstaunlich wohl schmeckend, auch wenn Perdita nach wenigen Bissen gesättigt war. Lucas aß ihre Pommes frites auf und führte sie dann zur Damentoilette. Sie war so benommen, dass sie sie allein wahrscheinlich nicht gefunden hätte. Es waren so viele Menschen da, die Autobahnraststätte kam ihr vor wie ein Flughafen, und jeder außer ihr schien genau zu wissen, wo er hingehen musste.
»Ich warte draußen auf dich«, erklärte Lucas, der sah, wie sie versuchte, die Tür nach außen statt nach innen zu öffnen.
Bevor er den Tank nachgefüllt hatte, war sie wieder eingeschlafen.
Kurz bevor die Autobahn endete, machten sie abermals Halt, tranken Tee und aßen ein Stück Früchtekuchen. Diesmal war Perdita wach genug, um einige Fragen zu stellen.
»Aber du kannst dir doch bestimmt nicht ausgerechnet jetzt freinehmen, Lucas? Habt ihr nicht um diese Zeit besonders viel zu tun?«
»Ich habe meine Angestellten. Janey ist sehr gut, und seit kurzem haben wir noch einen jungen Koch, den ich ausbilde: Tom. Du weißt schon, der Bursche, der Beikoch für mich war, als du ... in der Küche gearbeitet hast.«
Perdita beschloss, den Hinweis auf besagten Abend zu ignorieren. »Hm, ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mir freinehmen kann.«
»Doch, kannst du. Ich habe William die Erlaubnis erteilt, seinen Freund einzustellen und jeden sonst, den er braucht. Und er hat Janey, die ihm sagen kann, was die Leute haben wollen.«
»Ja, aber Lucas! Ich werde Kittys Geld vielleicht gar nicht erben! Möglicherweise kann ich mir gar kein Personal leisten!«
»Papperlapapp! Du brauchst nicht zu erben, um einen weiteren Mitarbeiter einzustellen.«
Perdita seufzte und kam zu dem Schluss, dass sie es nicht ertragen konnte, die Sache mit dem Grundstück zu erklären. Und wenn sie schon Leute arbeitslos machte, konnten es ebenso gut zwei sein wie einer. »Ich finde trotzdem nicht, dass William das Geschäft ohne mich betreiben kann.«
»Und ob er das kann. Anscheinend warst du in letzter Zeit nicht von großem Nutzen. Du hast die falschen Dinge ausgerissen, du hast Gräser geschnitten statt Salatköpfe - wenn du dir nicht eine Auszeit gönnst, wirst du bald kein Geschäft mehr haben, um das du dir Sorgen machen kannst. Der Arzt hat, was das betrifft, kein Blatt vor den Mund genommen.«
»Wann hast du mit ihm gesprochen?«
»Letzte Woche. Ich habe ihn angerufen und ihm erklärt ... Ah, das ist im Augenblick egal. Jedenfalls meinte er, du wärst kurz davor, schlappzumachen. Er hat es natürlich etwas höflicher ausgedrückt.«
»Nun, ich bin wahrscheinlich gerade dabei schlappzumachen, aber es gefällt mir trotzdem nicht, dass William zusätzliche Leute einstellt. Das Geschäft wirft nicht genug ab.«
»Ohne zusätzliches Personal wird es bald gar nichts mehr abwerfen. Außerdem kannst du dir die Löhne doch leisten.«
Perdita seufzte. »Nicht noch jemand, der davon ausgeht, dass ich eine reiche Erbin bin! Ich hätte gedacht, du wüsstest es besser!«
Er schwieg ein paar Sekunden lang. »Aber ich weiß es doch. Ich meine, ich weiß es besser. Ich weiß, dass du ein Vermögen erbst, und zwar ein ziemlich beträchtliches.«
»Was? Woher weißt du das? Ich erbe vielleicht gar nichts! Ich werde unter Umständen sogar das Land verlieren, das
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