Glücksboten
ich glaube, sie hat es selbst noch nicht gemerkt.«
Perdita stellte den Karton leicht hechelnd auf den Küchentisch. »Wie könnte sie das übersehen haben? Ich meine, sie hat schon zwei Kinder zur Welt gebracht. Sicher kennt sie die Anzeichen zur Genüge.«
»Nach dem Tod ihres Vaters hat ihre Periode verrückt gespielt. Sie denkt wahrscheinlich, dass sei auch diesmal das Problem. Aber ich glaube, ich lasse sie sich erst mal an das neue Haus gewöhnen, bevor ich etwas sage.«
Perdita öffnete den Mund. Die Versuchung war groß, Mrs Heptonstall von Lucys Widerstreben zu erzählen, ihre Mutter von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen, aber dann entschied sie sich dagegen. Falls sie Lucy jemals wieder allein erwischen sollte, würde sie es stattdessen ihr erzählen.
Der erste Weihnachtstag verlief ruhiger, als Perdita erwartet hätte, was Mrs Heptonstall zu verdanken war. Sie konnte Lucy davon überzeugen, dass sie es von Herzen genoss, sich endlich wieder einmal nützlich zu fühlen und dass es nicht das Ende der Welt war, wenn nicht jede kleine Einzelheit so war, wie sie in den Zeitschriften gepriesen wurde.
Nachdem die Strümpfe geöffnet und ein schokoladiges, alkoholisches Frühstück verzehrt worden war, machten alle außer Lucy, die Befehl hatte, im Bett zu bleiben, einen langen Spaziergang. Der Truthahn sollte um drei Uhr auf den Tisch kommen, sodass sich niemand zu hetzen brauchte. Und nach einem leichten Mittagsbüffet, das Mrs Heptonstall nach Mary-Poppins-Manier aus ihrem Korb hervorzauberte, öffneten sie die Geschenke.
Perdita hüllte sich sofort in den riesigen, cremeweißen Schal, den ihre Mutter ihr geschickt hatte, und nahm sich vor, den Scheck von ihrem Vater in einen besseren Lieferwagen zu investieren. Da sie Kittys Tischlampe nicht mitgebracht hatte, war sie ziemlich schnell mit ihrem Häufchen Geschenke fertig.
Ihre Geschenke an die anderen erwiesen sich als ein überraschender Erfolg. Der grüne Nagellack erfreute sich bei seiner sechsjährigen Empfängerin großer Beliebtheit, wenn auch ihre Eltern weniger begeistert waren. Der Vierjährige geriet ganz aus dem Häuschen, als er die riesige Plastikblase mit den Miniaturfußbällen aus Schokolade darin in Empfang nahm. Lucy freute sich ehrlich über die Auswahl an Kräuteressigen, die Perdita selbst aufgesetzt hatte, ebenso wie über die Lavendelbeutelchen, die sie nur gekauft hatte, und Jake betrachtete den Wein, der aus dem Keller von Kittys Mann gekommen war, mit stiller Ehrfurcht. Geoff hatte eine ähnliche Flasche bekommen, und die beiden Männer tauschten Blicke, die besagten: »Wie ist dieses verrückte Frauenzimmer zu so einem verdammt guten Wein gekommen?« Perdita lächelte und sagte nichts.
»Du kannst Kitty jederzeit anrufen«, meinte Lucy gähnend. »Du machst dir sicher Sorgen um sie.«
Perdita, die bisher ganz unbesorgt gewesen war, machte sich plötzlich wirklich Sorgen. »Das wäre nett. Nur um frohe Weihnachten< zu wünschen.«
»Jake, gib Perdita dein Handy.«
»Das mache ich«, seufzte Geoff resigniert.
Kitty ging es wie erwartet blendend, obwohl sie sich darüber ärgerte, dass sie gerade angerufen wurde, als sie ein ausgezeichnetes Blatt gehabt hatte. »Ich wollte eine Fünf ohne Trümpfe spielen«, berichtete sie ungehalten. »Jetzt wird mein Partner, ein sehr netter Mann, den Lionel flüchtig gekannt hat, meine Abwesenheit ausnutzen und das Blatt für mich spielen.«
»Oh? Das tut mir Leid. Ich wünschte, ich hätte es gewusst.«
Kitty seufzte. »Ach, zerbrich dir deswegen nicht den Kopf, mein Kind. Sie haben gemeint, es sei sehr schwierig, dieses Blatt zu spielen. Wahrscheinlich hätte ich die Sache grässlich verpfuscht.«
Da Perdita selbst keine Ahnung von Bridge hatte, konnte sie nichts dazu sagen. Sie plauderten noch ein wenig über das Essen, die Geschenke und das Wetter und hängten schließlich ein.
»Es geht ihr gut«, erzählte Perdita. »Also, müssten wir nicht eigentlich in die Küche?«
Sie taten es und fanden Lucys Mutter damit beschäftigt, die Röstkartoffeln mit einer Lötlampe zu garen.
Am Abend des zweiten Weihnachtstages war Perdita auf dem Sofa vor dem Feuer eingeschlafen, beide Kinder im Arm und eine Ausgabe von Magic Pony aufgeschlagen auf dem Schoß, als Lucy ihr scharf ins Ohr flüsterte: »Perdita? Wach auf. Da ist jemand für dich an der Tür. Ich glaube, es ist Lucas.«
Perdita erwachte mit einem Ruck und dachte einen Augenblick, sie hätte nur geträumt. Aber Lucy
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