Glücksboten
Gesellschaft ganz gern, und er hat einen sehr wachen Verstand.«
»Davon bin ich überzeugt.« Sein Körper ist auch nicht schlecht, fügte sie in Gedanken unfein hinzu. »Aber wann hat er denn Zeit, dich zu besuchen?«
»Er kommt ab und zu nachmittags mal vorbei. Allerdings ruft er immer vorher an, um sich zu versichern, dass du nicht hier bist und ich dich auch nicht erwarte. Er fürchtete, es würde dir nicht gefallen. Ich dachte, dass er Unsinn rede, aber offensichtlich hat er Recht. Ich sehe, dass die Sache dich sehr aufregt.«
Perdita riss sich zusammen. »Ich rege mich überhaupt nicht auf. Ich finde es sehr nett von ihm, dass er dich besucht, und es muss schön für dich sein, jemanden zu haben, mit dem du über Bücher reden kannst. Ich bin nur von gestern Abend übermüdet. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis ich endlich eingeschlafen bin, obwohl ich so müde war. Meine Füße und Beine sind immer noch schrecklich steif. Oh verdammt, ich habe den Meerrettich vergessen.«
Kapitel 12
J aney rief Perdita am Sonntagabend an. Sie war außer sich vor Begeisterung; sie hatte ein wunderbares Wochenende verlebt und war fest entschlossen, Perdita einen minutiösen Bericht zu liefern. Ein wenig widerstrebend stimmte Perdita zu, sich im Pub mit Janey zu treffen.
Sobald sie in einem kleinen Nebenzimmer am Feuer saßen, beide mit einem Glas Rotwein in der Hand, sagte Perdita: »Na, dann schieß mal los.«
Sie lauschte geduldig, aber es kam ihr vor wie ein Pyrrhus-Sieg. Schon bald würde sie sich zweifellos an Janeys Glück erfreuen und nicht mehr das Gefühl haben, ihr eigener Seelenfrieden sei ein zu großes Opfer gewesen. Aber im Augenblick war alles noch zu frisch.
»... und als William erst ein paar Bier intus hatte, habe ich herausgefunden, was für ein netter Kerl er in Wirklichkeit ist. Er ist einfach nur furchtbar schüchtern, nicht wahr?«
»Mmh.«
»Er hat sich den Wagen von seinem Vater geliehen, um zu dem Treffen runterzufahren, und irgendwie habe ich der Sache mit ziemlichem Unbehagen entgegengesehen. Ich meine, es ist doch schrecklich, mit jemandem im Auto zu sitzen, den man nicht kennt, und nicht zu wissen, ob der Betreffende von einem erwartet, dass man redet oder den Mund hält.«
»Ja, ich kenne dieses Gefühl.«
»Wie dem auch sei, die Fahrt war ein wenig schwierig, aber dann stellte sich raus, dass wir beide Mogwai lieben, und er hatte ein paar Kassetten dabei, was definitiv geholfen hat. Als wir ankamen, war mir dann ganz mulmig zu Mute, obwohl William inzwischen ein wenig mit mir warm geworden war, und ich muss sagen, er hat sich wirklich erstklassig benommen und mich allen vorgestellt. Er schien irgendwie ... stolz auf mich zu sein. Weißt du, was ich meine?«
Nicht aus persönlicher Erfahrung, dachte Perdita, obwohl sie sofort zustimmend murmelte.
»Also habe ich all seine Freunde kennen gelernt, und eine von ihren Freundinnen - ein schrecklich nettes Mädchen namens Carol - brachte mich in die Frühstückspension, damit ich mich umziehen konnte. Dann sind wir auf dem Weg zum Ball noch in einen Pub gegangen. Wir konnten alles zu Fuß erreichen, also war es nicht weiter schlimm, dass wir ein bisschen zu viel getrunken haben ...«
»War es nicht etwas komisch, im Ballkleid in einen Pub zu gehen?«
»Hm, ja, wir waren alle ein wenig overdressed, aber das Kleid, das ich mir geliehen hatte, war ja nicht direkt ein Ballkleid, eher einfach ein langes Kleid.«
Perdita unterdrückte ein Gähnen, nicht weil anderer Leute Erzählungen von einem herrlichen Abend weniger unterhaltsam waren als Geschichten von Katastrophen und Verhängnissen, sondern weil sie unter akutem Schlafmangel litt. »Also seid ihr beiden miteinander klargekommen?«, fragte sie, um das Ganze ein wenig abzukürzen.
»Nun, wir haben nicht - du weißt schon ...«
»Na komm schon, Janey! Spuck es aus! Ich sitze auf glühenden Kohlen!«
»Wir sind nicht miteinander ins Bett gegangen. Genau genommen hat er es nicht einmal vorgeschlagen, was ich wirklich süß fand. Und ich muss sagen, er sah in seinem Smoking wirklich klasse aus.«
Das war eine gute Nachricht, aber doch noch nicht genug. Aus irgendeinem Grund, den sie nicht verstehen konnte, hatte Perdita den unbezähmbaren Wunsch, Janey möge auf dem Weg in ihr Unheil weitergekommen sein als sie und Lucas. »Aber geküsst habt ihr euch?«
»O ja. Oft. Und was ist mit dir?«
»Wie meinst du das?« Das schlechte Gewissen ließ Perditas Stimme ungewöhnlich scharf
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