Glücksboten
eigentlich meinen, dass man solche Leute leicht erkennt ...«
»Warum?«
»Oh, du weißt schon. All diese weißen Reifen um den Bauch und diese Glubschaugen.«
Janey fand das überhaupt nicht komisch. »Wenn ich gewusst hätte, dass nur die leiseste Chance besteht, dass ein Inspektor kommt, wäre ich niemals einfach so abgezwitschert.«
»Oh, hm, das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Aber wann erfahrt ihr eigentlich, wie es ausgegangen ist?«
»Nicht vor Anfang Januar.«
»Erst in einem ganzen Jahr? Na, dann ist ja alles gut.«
»Nein, ist es nicht!«
»Oh, na komm schon, Janey. Wir können uns doch jetzt nicht den Kopf über nächsten Januar zerbrechen. Vergiss diese Michelin-Geschichte und erzähl mir mehr über William. Es tut dir doch nicht etwa Leid, dass du zu dem Ball gegangen bist?«
»Nein, wir haben uns wunderbar amüsiert. Es war ziemlich romantisch, ehrlich. Anschließend haben wir einen Spaziergang am Fluss gemacht.«
»Im Januar!«
»Er hat mir seinen Mantel gegeben.«
»Ah, wie lieb! Und wirst du ihn wiedersehen?«
»Das will ich doch sehr hoffen! Wenn er mich nicht anruft ...«
»Schmeiße ich ihn raus. Jetzt muss ich aber wirklich los, Janey, meine Füße bringen mich noch um. Sie schmerzen von gestern Abend. Ich kann meilenweit laufen und den ganzen Tag in der Erde buddeln, aber auf diesem harten Fußboden zu stehen ...«
»Dann lasse ich dich jetzt mal deine alten Knochen nach Hause schleppen. Schlaf schön. Und noch mal vielen Dank.«
Aber im Bett begannen Perditas Probleme erst richtig. Es war schlimmer als am Abend zuvor, weil sie nicht so erschöpft war und keinen Brandy hatte, um ihre Spannung ein wenig zu mildern.
Sie konnte sich nicht auf ihr Buch konzentrieren, und das Radio ärgerte sie, statt sie zu beruhigen. Perdita lag in der Dunkelheit, versuchte, sich zu entspannen, und organisierte im Geiste ihre Folientunnel neu, um einschlafen zu können.
All ihre Strategien waren fruchtlos. Sie konnte nicht aufhören, über Lucas nachzudenken, darüber, ob sie sich besser fühlte, nachdem sie ihrem Zorn endlich auf so körperliche Weise Luft gemacht hatte. Aber Perdita konnte diesbezüglich zu keiner Entscheidung kommen, sie konnte sich nicht von der Frage losreißen, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht zu Verstand gekommen wäre. Sie wusste nicht, was passiert wäre, wenn Lucas sie nicht in die Damentoilette getragen hätte. Hätte sie von sich aus aufgehört, oder hätte sie bereitwillig mit ihm geschlafen, mitten in der Küche, umringt von den Trümmern der abendlichen Arbeit? Zum Glück war Lucas zu penibel, um das zu tun. Er hatte sie vor sich selbst geschützt.
Aber was wäre denn weiter passiert, wenn sie miteinander geschlafen hätten? Wären sie anschließend beide in ihre jeweiligen Häuser zurückgekehrt? Oder hätte sie Lucas zu sich eingeladen?
Plötzlich missfiel es ihr, allein in einem Doppelbett zu schlafen. Es hatte ihr noch nie zuvor etwas ausgemacht, aber jetzt erschien ihr dieser Umstand plötzlich wie ein Hohn auf ihr Junggesellendasein.
Sie sehnte sich nach Lucas, nicht nur nach dem leidenschaftlichen Sex, den sie in Erinnerung hatte, sondern nach dem tröstlichen Gefühl, ihn neben sich atmen - ja sogar schnarchen - zu hören. Perdita sehnte sich danach, den Kopf auf seine Brust zu legen und das dumpfe Schlagen seines Herzens unter ihrem Ohr zu hören, sehnte sich danach, ihre Füße an seinen Waden zu wärmen, den schwachen Duft seines Körpers wahrzunehmen, sein Rasierwasser, sein Shampoo.
Unausweichlich kehrten ihre Gedanken zu ihren Flitterwochen zurück, damals, in einem anderen Leben. Sie hatten eine kleine, zwanglose Hochzeit gefeiert und waren dann mit Lucas' zerbeultem, lautem Sportwagen nach Schottland gefahren, wo seine Familie an den Ufern eines Lochs eine Hütte besaß.
Die Hütte war sehr primitiv. Sie hatte keine Elektrizität, fließendes Wasser kam aus dem Bach neben dem Gebäude, und eine Toilette gab es auch nicht. Sie mussten die beiden Einzelbetten zu einem Doppelbett zusammenschieben, aber das Cottage verfügte über einen Holzofen und befand sich in der schönsten Landschaft, die man sich nur wünschen konnte. Es war Mai, und die umliegenden Wälder waren voller Glockenblumen, die die Luft mit ihrem Duft erfüllten. Das Wetter war herrlich, und Perdita und Lucas verbrachten die Tage damit, auf dem See zu rudern, Holz für das Feuer zu sammeln, über dem Feuer zu kochen und einander laut vorzulesen. Sie aßen, wann immer es
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