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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nächsten Morgen in Tullamore auf und hatten nicht die leiseste Erinnerung, wie sie dahingekommen waren, ein Mann namens Louis schenkte einem Obdachlosen sein Auto, einen BMW, und musste am nächsten Tag die Stadt durchstreifen und den Mann suchen, um sein Auto zurückzubekommen; eine Frau aus der Gruppe mit Namen Lorraine erlangte das Bewusstsein ausgestreckt auf ihrem Wohnzimmerboden wieder, in einen nagelneuen Mantel von Prada gehüllt, an dem noch das Preisschild von Brown Thomas – 1750 Euro – hing, und die einzige logische Erklärung war, dass sie mitten in der Nacht bei Brown Thomas eingebrochen und den Mantel gestohlen hatte.
    Und trotzdem erklärten all diese betuchten potenziellen Kunden, sie hätten die beste Nacht ihres Lebens verbracht. Sogar der arme Louis, der seinen BMW nie wiedersah. (Und Lorraine hatte natürlich allen Grund, dankbar zu sein – für den neuen Prada-Mantel –, obwohl sie während der nächsten sechs Monate jeden Tag Angst hatte, die Polizei würde plötzlich vor ihrer Tür stehen.)

Samstag

36
    I ch würde mich nicht auf die Couch legen, beschloss ich. Schon gar nicht – Gott bewahre – auf ein Bett. Das wäre eine Grenzüberschreitung. Aber auf dem Boden liegen, das war in Ordnung. Solange es der Fußboden in Waynes Haus war, auf dem ich lag, zählte es als Arbeit.
    Nachdem ich Arties Haus verlassen hatte, wollte ich eigent lich nach Clonakilty fahren und Waynes Eltern und Schwes ter aufsuchen. Mir schien es eine gute Nutzung meiner Zeit – ich konnte nicht schlafen, und irgendwann müsste ich sowieso dahin, warum also nicht jetzt?
    Doch nachdem ich ungefähr vierzig Minuten auf der leeren Autobahn gefahren war, hatte ich das Gefühl zu halluzinieren – ich war seit gestern Abend acht Uhr ununterbrochen unterwegs gewesen und stellte in meinem erschöpften Zustand eine echte Gefahr dar. Es sprach nichts dagegen, mein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen – das war mir ein wirkliches Vergnügen, um ehrlich zu sein –, aber der Gedanke, einem anderen Schaden zuzufügen, war entsetzlich. Ich nahm die nächste Ausfahrt und fuhr zurück nach Dublin. Aber je näher ich der Stadt kam, desto deutlicher wurde mir bewusst, dass ich meine Wohnung nicht mehr hatte. Ich hatte kein Zuhause. Mein Gott, wie seltsam. Ich hatte kein Zuhause. Wohin sollte ich gehen?
    Deshalb beschloss ich, bei Wayne anzuhalten, weil das als Arbeit zählte.
    An einem Samstagmorgen um halb sieben war Mercy Close still und leer. Ich schloss die Tür zur Nummer vier auf, schaltete die Alarmanlage aus und spürte, wie sich eine gewisse Ruhe in mir ausbreitete, als würde ich hierhergehören. Das war nicht gut. Das hier war nicht mein Haus, ich wohnte nicht hier und würde auch nie hier wohnen. Ich täte gut daran, mir diese Fakten ein für alle Mal zu merken.
    Zehn Sekunden später erhielt ich eine Mitteilung auf meinem Handy, die mich von meiner eigenen Ankunft in dem Haus in Kenntnis setzte. Gut, ja, das funktionierte.
    Eine Weile wanderte ich in Waynes Haus umher und bemerkte Dinge, die mir vorher nicht aufgefallen waren. Am Kühlschrank hing eine Kinderzeichnung von einem Mann im Auto. Mit krakeliger Buntstiftschrift stand da: »Ich habe Onkel Wayne lieb«, dann eine lange Reihe Buntstiftküsse.
    Ich bewunderte den Kamin im Wohnzimmer volle sieben Minuten lang. Schön. Musste ein Original sein. Die Form war aus den Dreißigerjahren, die wunderschönen schwarzen Keramikkacheln hatten ein Distelmotiv in Lila und Grün.
    Er musste wirklich ein netter Kerl sein, dachte ich. Was hatte er doch für schöne Dinge. Dann breitete sich ein riesiges Gähnen in meinem Kopf aus und hätte mir beinahe den Kiefer ausgerenkt.
    Plötzlich war ich sehr müde und wollte mich hinlegen. So ein schöner Teppich, dachte ich, als ich mich darauf niederließ, so ein schöner Holzfußboden. Ich legte mich flach auf den Rücken, denn solange ich flach auf dem Rücken lag, arbeitete ich. Sich auf die Seite zu drehen und zusammenzurollen galt als Ausruhen, folglich als Grenzüberschreitung, war folglich inakzeptabel, ich würde also flach auf dem Rücken liegen bleiben und an Waynes schöne Decke starren. Und mein Handy würde ich für eine Weile ausschalten …
    Irgendwann erwachte ich mit einem entsetzlichen Ruck. Mein Herz klopfte wild, mein Mund war ausgetrocknet, aber irgendwie war ich stolz auf die Tatsache, dass ich immer noch flach auf dem Rücken lag. Durch und durch professionell. Ich nahm mein Handy und schaltete es an – es

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