Glücksfall
explodiert, eine, bei der alle Menschen getötet wurden und die Gebäude unversehrt stehen blieben. Nur ich hatte überlebt.
Als ich zwei junge Mädchen sah, die auf hohen Absätzen nach Hause stöckelten, erwartete ich halb, dass sie meinem Auto nachlaufen und wie die Kannibalen die Zähne fletschen würden, aber sie würdigten mich keines Blickes – auf den Beinen zu bleiben verlangte ihre ganze Konzentration.
Durch einen außergewöhnlichen Glückstreffer fand ich nur zwei Straßen von Arties Haus entfernt eine Parklücke.
Ich schloss die Tür auf, ging ins Bad und putzte mir die Zähne – meine Zahnbürste hatte ich immer dabei, auch wenn ich nicht gerade obdachlos geworden war. Wegen der Unwägbarkeiten in meinem Berufsleben hatte ich auch noch ein paar andere Sachen immer dabei: mein Make-up, das Ladegerät für mein Handy, sogar meinen Pass. Ich war wie eine Schnecke, ich trug mein gesamtes Leben auf dem Rücken mit mir herum.
Auf Zehenspitzen schlich ich mich in Arties Zimmer – oh, wie wunderbar waren Jalousien, die das Tageslicht ausschlossen – und zog mich leise aus. Im Dunkeln spürte ich seine Körperwärme und roch seine schöne Haut. Ich schlüpfte leise ins Bett, zwischen die herrlichen Betttücher, und fing an, mich zu entspannen.
Plötzlich schoss ein Arm hervor, und Artie zog mich zu sich.
»Ich dachte, du schläfst«, flüsterte ich.
»Ich schlafe ja auch.«
Aber er schlief nicht.
Artie schätzte einen kleinen Morgenfick.
Er biss mir in die Schulter, kleine Bisse, die beinahe wehtaten und mich gleichzeitig erschauern ließen. Er bewegte sich an meinem Schlüsselbein entlang und knabberte an meinen Brustwarzen, erst an der einen, dann an der anderen. Um uns herum war es vollkommen dunkel, und er fuhr mit Bissen und Küssen über meinen ganzen Körper hinweg, bis zu den Füßen, den Zehen, dann wieder zurück.
Wir sprachen nicht, alles war nur Fühlen und Tasten, bis ich dachte, ich müsste explodieren, und dann drang er in mich ein, schnell und wild. Er wartete, bis ich zweimal gekommen war – ich war erleichtert, dass wenigstens dieser Teil von mir noch so gut funktionierte –, dann spürte ich, wie er sich aufbäumte und sein Stöhnen zu unterdrücken versuchte, falls die Kinder ihn hörten. Im nächsten Moment ging sein Atem ruhig und gleichmäßig. Er war wieder eingeschlafen.
Der Glückliche. Ich konnte nicht schlafen. Ich war erschöpft, aber mein Kopf gab keine Ruhe. Ich zwang mich, langsam und tief zu atmen, und ermahnte mich streng: Zeit zu schlafen, du liegst mit Artie im Bett, alles ist in Ordnung.
Es klappte nicht. Ich war unruhig. Meine Schlaftabletten befanden sich einen knappen Meter entfernt in meiner Tasche – ich wollte eine nehmen und mich eine Weile lang dem Vergessen überlassen. Aber nicht hier, die Schlaftablette war zu kostbar, ich sollte sie nicht verschwenden. Ich wollte da sein, wo ich ohne Unterbrechung schlafen konnte, und Artie war meistens um sechs Uhr wach.
Mir wurde bewusst, dass ich nach Hause gehen wollte, und kaum war mir der Gedanke gekommen, breitete sich Erleichterung in mir aus. Dann fiel mir ein, dass ich kein Zuhause mehr hatte, und der Verlust traf mich aufs Neue. Die Vorstellung, im Gästezimmer meiner Eltern zu schlafen, hatte einfach nicht denselben Reiz.
Aber die Panik nahm zu. Ich konnte einfach nicht länger hier liegen.
Ich glitt aus dem Bett und zog mich fast ohne jedes Rascheln an – selbst in meinem mitgenommenen Zustand achtete ich stolz auf den Einsatz meiner Fähigkeiten –, ging aus dem Schlafzimmer und schloss die Tür leise hinter mir.
Geräuschlos schwebte ich die gläserne Treppe hinunter. Ich bin ein Geist, dachte ich. Ich bin ein Schemen, ich bin die lebende Tote …
»Helen! Du bist hier!«
»Herr im Himmel!« Ich dachte, mir würde das Herz vor Schreck aus der Brust springen.
Es war Bella, sie stand in ihrem rosa Schlafanzug im Flur und hielt ein Glas mit einem rosa Getränk in der Hand.
»Kommst du zu unserem Grillfest?«, fragte sie.
»Was für ein Grillfest? Es ist fünf Uhr morgens.«
»Wir machen ein Grillfest. Heute Abend. Um sieben. Es gibt selbst gemachtes Gingerale.«
»Wie schön, aber ich muss jetzt gehen …«
»Möchtest du ein Glas Wein?«
Ich hätte liebend gern ein Glas Wein gehabt, aber weitaus wichtiger war, dass ich hier wegkam.
»Kann ich dir die Haare kämmen?«
»Ich muss jetzt gehen, Süße …«
»Warum warst du gestern Abend nicht da, wir haben einen tollen Film geguckt.
Weitere Kostenlose Bücher