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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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abzubringen, aber wenn er die Entschlossenheit in meinem Blick sah, wüsste er, dass es mir ernst war.
    Ich suchte meine Sachen zusammen, nahm auch meinen Karton Cheerios, und bevor ich die Alarmanlage einstellte, verabschiedete ich mich von Waynes schönem Haus. Schon jetzt vermisste ich es schmerzlich.
    Ich fuhr zu John Josephs Anwesen und musste alle möglichen unverschämten Fragen von Alfonso beantworten, bevor er mich einließ. Eine Hausangestellte in Uniform – nicht Infanta – führte mich durchs Haus und durch eine enorm große Glastür wieder hinaus, in einen terrassenförmig angelegten, aufwendig gestalteten Garten.
    Ich stand auf der Veranda, betrachtete die Menschen vor mir, bestimmt dreißig oder mehr, und rief mir Arties Worte in Erinnerung: »Die Möglichkeiten sind endlos. Endlos. Die Extreme menschlichen Verhaltens … Es gibt keine Grenzen für das, was Menschen zu tun bereit sind und mit wem.« Doch hier sah alles ziemlich zahm aus. Falls ich eine dunkle Unterströmung spürte, dann in meinem Kopf, es hatte nichts mit Wayne zu tun. Mit Wayne – wo immer er war, und ich wünschte ihm alles Gute – war alles in Ordnung. Die Suche nach ihm abzubrechen war richtig. Ich lieferte ihn keinem schrecklichen Schicksal aus.
    Mir entging nicht, dass bisher niemand etwas zu essen bekommen hatte. Schwierigkeiten mit dem Holzkohlegrill. Der Grill stand auf der Veranda, wo Clive vom Schaltpult und Infanta verzweifelt versuchten, ihn in Gang zu bekommen.
    Ich entfernte mich von ihnen, weil die Angst, die ihnen im Nacken saß, so schrecklich war. Früher oder später, das wussten wir alle, würde es John Joseph auffallen, und dann würde er sie zusammenstauchen.
    Doch in diesem Moment hielt er eine Bierflasche und tat so, als wäre er kein Despot. Allerdings lag er Harvey, diesem Pechvogel, in den Ohren, und ich war mir sicher, es ging nicht um Fußball. Eher schienen Harveys Fehler und Versäumnisse das Gesprächsthema zu sein.
    Ich beobachtete die Menschen im Garten. Wäre ich der Grillfestinspektor der irischen Regierung, müsste ich feststellen, dass sich das Maß der Geselligkeit lediglich um die Marke »hinreichend« bewegte. Wir waren noch weit entfernt von »gefährlich aus dem Ruder gelaufen«. (Die höchste Marke erreichte man, wenn es zu öffentlichem Urinieren kam. In dem Fall wurde einem vom irischen Präsidenten eine Medaille überreicht.)
    Aber diese Ansammlung hier in John Josephs Garten müsste sich ein bisschen mehr ins Zeug legen, wenn sie nicht in einem grünen Wagen zu einem Umerziehungslager in Dublins Vergnügungsviertel Temple Bar befördert werden wollten, wo man ihnen beibringen würde, »richtig auf den Putz zu hauen«. Sie strengten sich einfach nicht genug an. Wenn mich nicht alles täuschte, erspähte ich jemanden – ich verengte meine Augen zu Schlitzen –, der Wasser trank. Wasser! Keinen Alkohol! Oh, das sah nicht gut aus für meinen Bericht, überhaupt nicht gut. Die Was sertrinkerin war Zeezah, und möglicherweise hatte sie Gründe dafür, dass sie dem Bier fernblieb, religiöse vielleicht. Aber wir Iren sind eine sehr religiöse Nation, und für uns war das noch nie ein Grund, uns nicht nach Strich und Faden zu besaufen.
    Zeezah unterhielt sich charmant mit einem der haarigen Roadies. (Und die, das musste man ihnen lassen, strengten sich wirklich an: in beiden Händen eine Flasche Bier, und einer hatte sogar eine Flasche in seinem Pferdeschwanz verstaut. Ich würde ihre Namen herausfinden und sie für das Prädikat »sehr lobenswert« empfehlen.) Zeezah sah auf, und als sie mich entdeckte, glaubte ich, einen Schatten über ihr Gesicht huschen zu sehen, doch dann winkte sie und lächelte süß, und ich konnte nicht umhin, auch zu lächeln.
    Ich sah Frankie, sein Blick noch immer glasig nach der Xanax-Episode. Und Roger St Leger, der seinen Charme bei einer unglückseligen Frau in sehr knappen, abgeschnittenen Jeans und Cowboystiefeln versprühte. Sie warf ihren sonnengebleichten Schopf nach hinten, zeigte ihren sonnengebräunten Hals und lachte laut, und ich wollte zu ihr eilen und sagen: »Oh, jetzt lachen Sie. Oh, jetzt sind Sie glücklich, aber warten Sie ab. Nur sechs Wochen, dann hat er Sie komplett wahnsinnig gemacht. Und dann werden Sie in die Notaufnahme eingeliefert, nachdem Sie versucht haben, sich mit dem Einwegrasierer, mit dem Sie sich eigentlich für ihn die Beine rasieren wollten, die Pulsadern aufzusäbeln.«
    Aber was kann man tun? Man muss die Menschen ihre

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