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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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eigenen Fehler machen lassen. Wo wir von Fehlern sprechen, da war Jay Parker. Er erzählte Lottie und einer ihrer Assistentinnen irgendwelches dumme Zeug, hatte die Ärmel seines Hemdes aufgerollt, schwenkte seine Bierflasche und gestikulierte beim Sprechen.
    Ich straffte meine Schultern, suchte meinen inneren Stahl träger und machte mich auf den Weg zu ihm. Als erspürten sie meine Entschlossenheit, wichen die Menschen vor mir zu beiden Seiten zurück, wie damals die Wassermassen bei der Teilung des Roten Meers.
    Kurz bevor ich bei ihm war, drehte er sich auf dem Absatz zu mir um, wendig und elegant, als wäre er einer der Jackson Five. »Helen!« Er setzte den anderen Fuß auf und stoppte die Drehbewegung. Perfektes Zeitgefühl. Er schien begeistert, mich zu sehen.
    »Hör zu, Parker, ich steige aus.«
    »Was willst du damit sagen?« Er verstand mich sehr gut, das sah ich ihm an. Das Lächeln blieb in seinem Gesicht, aber seine Augen bekamen einen verunsicherten Aus druck und sprangen umher, schon auf der Suche nach einem Ausweg.
    »Ich möchte die Suche nach Wayne einstellen.«
    »Warum? Das Geld kriegst du.«
    »Es geht mir nicht ums Geld.« Nie hätte ich geglaubt, dass ich diesen Satz jemals laut sagen würde. »Hier sind Waynes Schlüssel.« Ich gab sie ihm und achtete tunlichst darauf, ihn nicht zu berühren. Zögernd nahm er sie entgegen.
    »Aber womöglich ist Wayne in einer schlimmen Situation«, sagte er. »Vielleicht muss er dringend gefunden werden.«
    »Nein, er ist in keiner schlimmen Situation, und er muss auch nicht gefunden werden. Er will bei den Konzerten nicht mitmachen. Lass ihn in Ruhe.«
    »So einfach ist das nicht.« Parker nickte zu Frankie, dann zu Roger hinüber, die mich beide intensiv beobachteten. »Die brauchen das Geld.« Seine Augen wanderten weiter zu John Joseph und Zeezah, die mich ebenfalls anstarrten. »Alle brauchen das Geld. Das Leben dieser Menschen hängt davon ab, dass Wayne zurückkommt.«
    »Dann such dir jemand anderen.«
    »Ich will niemand anderen. Ich will dich.«
    »Mich kannst du nicht haben.«
    Er streckte den Arm aus, und ich starrte auf seine Hand, gespannt, ob er den Nerv hätte, mich zu berühren.
    »Helen …« Er sah so verzweifelt aus, dass ich fast nachgegeben hätte. Aber nur einen winzigen Moment lang.
    »Ich hoffe, es geht für euch alle gut aus«, sagte ich und wollte mich davonmachen.
    »Warte!«
    Ich drehte mich um und sah ihn an.
    Er schluckte, dann strich er die Strähne zur Seite, die ihm in die Stirn gefallen war. »Gut, lassen wir das mit Wayne. Aber könnten wir uns wieder treffen? Du und ich?«
    Ich sah ihn sehr, sehr lange an.
    »Ich vermisse dich«, sagte er, und es war fast ein Flüstern.
    »Wirklich?« Plötzlich war mir sehr traurig zumute. »Und ich vermisse Bronagh.«
    Als ich mich umdrehte und ging, quälte mich einen kurzen lähmenden Moment die Frage, ob ich Wayne einem schrecklichen Schicksal auslieferte, aber ich wusste, dass das nicht der Fall war. Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen.
    Warum also fühlte ich mich so elend?
    Weil ich nichts hatte, womit ich meinen Kopf beschäftigen konnte, das war der Grund.
    Weil ich nichts anderes tun konnte, als zum Haus meiner Eltern zu fahren und der Tatsache ins Gesicht zu sehen, dass ich kein Zuhause mehr hatte.
    Weil ich nichts zu tun hatte und mich der Tatsache stel len musste, dass ich seit über vierundzwanzig Stunden nicht geduscht hatte und es keine Ausflüchte mehr gab.
    Die Welle von tiefer Schwärze, die aus meinem Inneren heraufwogte, drohte mir die Sicht zu nehmen. Es war wie eine Sonnenfinsternis. Aber ich kannte das schon. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Einen Fuß vor den anderen setzen. Bis es nicht mehr weiterging.

41
    A uf dem Weg zum Haus meiner Eltern stürmten lauter Erinnerungen an Bronagh auf mich ein.
    Sie hatte nie Schmuck getragen – keine Ohrringe, keine Armreifen, nichts. Deshalb glaubte ich an dem Tag, als sie zu mir in meine brandneue Wohnung kam, ich würde halluzinieren.
    »Bronagh«, sagte ich. »Warum trägst du diesen Ring da?«
    Sie blickte auf ihre linke Hand mit dem großen quadratischen Diamanten hinunter, als würde sie gar nicht zu ihr gehören. »Ach so, ja. Blake hat mich gebeten, ihn zu heiraten.«
    »Und … willst du das?«
    »Ich denke schon.«
    »Aha. Aber sollten wir dann nicht ausgelassen kreischen und Luftsprünge machen?«
    »Ja, schon. Und du musst mich umarmen und weinen und sagen, wie sehr du dich für mich freust.«
    »Na

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